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Elisabeth Schmitt schildert aus eigener Betroffenheit, wie sie die Weiterbildung erlebte, welche Bedeutung die Präsenz in der therapeutischen Arbeit hat und was Aufstellungen ganzheitlich zutage fördern können. G.E.
Mit gemischten Gefühlen fuhr ich diesmal zur Tagung und Fortbildung. Da ich selbst viele Jahre in psychiatrischen Kliniken tätig war, wollte ich lieber mystischen Texten lauschen, als mich therapeutischer Arbeit unterziehen. Aber ich änderte meine Meinung. Durch den Hinweis auf das weiße Blatt und die vielen Ereignisse, die erst die Existenz dieses Blattes ermöglichten, übertrug ich dies auf die Frühstückssemmel, und ich war mit vielem in der Welt verbunden und spürte Dankbarkeit. In der Fortbildung ging es viel um Krieg und die Millionen Toten. Ohne Krieg wäre auch keine Friedensarbeit nötig. So wurde in den Vorträgen von Harald Homberger sehr oft auf die katastrophalen Auswirkungen der Kriege hingewiesen und auf die Traumata, die die Einzelnen durch die vorhergehenden Generationen mit sich tragen, was in den Aufstellungen deutlich wurde. Es wurden aber auch unendlich viele Beispiele gebracht, welche Wirkungen Aufstellungen haben und wie heilend sie sein können In den Vorträgen wurden Ursachen und Merkmale der Traumata aufgezeichnet und auch darauf hingewiesen, dass der Mensch mit allen Mitteln Situationen, die ihn an die schwierige Situation erinnern, vermeidet. Außerdem wurden für uns als Begleiter Tipps weitergegeben, wie wir zum Beispiel mit Menschen, die gerade in Panik sind, umgehen können, wobei auch unsere Grenzen als Begleiter aufgezeigt wurden. Nach diesem Vormittag war es sehr still im Raum, es war das Schwere des Themas zu spüren, und wir gaben uns selbst die Diagnose „traumatisiert“, wobei manche Teilnehmer auch über Jahre und mehrfach traumatisiert sind. Nachmittags ging es zu den Aufstellungen. Dabei lernten wir, dass man nicht nur Familien aufstellen kann, sondern auch Orte und Glaubenssätze. Eine Aufstellung ist auch als Bittgebet möglich. Eine besondere Form ist die 12-Felderaufstellung, um nur einiges zu nennen. Aber bei all diesem ist eines wichtig: Absichtslosigkeit sowohl des Therapeuten als auch der Aufsteller und der Aufgestellten, Zuschauer eingeschlossen. Das ist manchmal gar nicht so einfach, da der Ausgang der Aufstellung manchmal nicht so ist, wie man es sich wünscht. Was ist nun bei einer Aufstellung zu tun?
Harald hat die Person, die aufstellen wollte, immer rechts neben sich hinsetzen lassen, und er stellte die Frage: „ Wie kann ich dir helfen?“, und die aufstellende Person brachte ihr Anliegen vor. Harald bestimmte die Personen, die gebraucht wurden (z.B. Kind, Mutter, Großmutter, Urgroßmutter, Tante), und der Aufsteller suchte sich aus dem Kreis Personen, die in die Rolle der Familienmitglieder schlüpften. Was bei all dem gefragt war, war Präsenz, die wir ja in der Kontemplation immer üben. So stellte Harald am Schluss fest, dass er bei uns nicht so viel Mühe hatte, da wir in Übung sind, im Augenblick zu sein. Als ich stellvertretend für eine Mutter, Großmutter oder eine verstorbene Familienangehörige den Platz einnahm, spürte ich selbst die Trauer einer Frau, deren Mann aus dem Krieg nicht heimkam und die durch dieses Trauma zu ihrer Tochter keine Bindung aufbauen konnte. Als ich die Rolle der verstorbenen Großmutter einnahm, zwang mich sofort eine große Müdigkeit auf den Boden. Nach diesen Aufstellungen gelang es mir am Ende immer besser, wieder ich selbst zu sein und mich nicht vom Drama beherrschen zu lassen. Aber trotzdem hat es mich verändert, wenn ich auch nicht selbst aufgestellt habe. Die Kontemplationslehrer sind mir als Menschen sehr nahe gekommen. Ich habe große Achtung und Demut vor den Menschen, wie sie ihre Verwundung und die ihrer Familien offen darlegten, dass es mich auch beim Schreiben dieser Zeilen noch sehr berührt. Ich selbst wurde mir des Traumas meiner Mutter bewusst, die 2 Brüder im Ersten Weltkrieg verlor und im Zweiten Weltkrieg in München mehrmals ausgebombt wurde. Eine Beziehung zu mir wurde dadurch nicht möglich. So fuhr ich nach Hause, konnte meinem Mann mit anderen Augen begegnen, konnte besser schlafen und war froh, dabei gewesen zu sein. Die Mystik hat sich in der Menschwerdung mit dem Verwundetsein gezeigt. So gehe ich gerne weiter mit der Karawane von Mensch zu Mensch, an einem Ort mit seiner Menschheitsgeschichte, dem Benediktushof, und einem spirituellen Therapeuten, dem ich sehr dankbar bin, dass ich an seinem begeisterten Tun und dem reichen Erfahrungsschatz teilhaben durfte.
Literaturhinweis: Peter Levine „ Trauma und Gedächtnis“; Luise Reddemann „Trauma: Folgen erkennen und an ihnen wachsen“
Elisabeth Schmitt Kontemplationslehrerin
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