Würzburger Forum der Kontemplation e. V. (WFdK)

Fortbildung - Werkstattberichte

 

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Tore ins Sein

Eine Fortbildung mit Richard Stiegler vom 19.–23.01.2015. Dieser Bericht hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit, ist ein Hinspüren und Akzente setzen auf die erlebten Inhalte.

Ein Werkstattbericht

Autoren: Elisa-Maria Jodl, Annette Frickenschmidt, Dr. Christoph Hövels

Montagabend. 14 Personen finden sich im Seminarraum ein. Die Mitte ist liebevoll mit Ikebanablume, warmem Kerzenlicht, einem Stein und einer Handglocke gestaltet. Ein Wort, in den Raum gestellt, der Gruppe zugewandt: „Lauf nicht, geh langsam! Deine Seele kann dir nicht folgen.“ – so der Beginn.

An diesem ersten Abend geschieht Ankommen bei sich und in der Gruppe. Zunächst in Dreiergruppen, dann in der Gesamtgruppe horchen wir auf die Fragen:

  • Welche Facetten von Seinserfahrung kennst du?
  • Was unterstützt dich persönlich, um Zugang zu bekommen?
  • Was trennt dich?
  • Was führt dich in diese Fortbildung?

Mit sensiblen Impulsen von Richard werden wir auch morgens in die Stille vor dem Frühstück geleitet.

Im Raum lesen wir am Flipchart: „Die SEELE ist der Raum zwischen ZEITLICHKEIT und EWIGKEIT. Mit ihren höchsten Kräften rührt sie an die Ewigkeit, aber mit ihren untersten Kräften berührt sie die Zeitlichkeit.“ (Meister Eckhart)

SEIN ereignet sich auf 3 Wirklichkeitsebenen. Das gilt es für sich und in der Begleitung auf einem spirituellen Weg zu erkennen.

  1. Alltagsrealität: Boden, Halt, Struktur (Erde)
  2. Seelische Realität: schöpferische, innere Wirklichkeit (Wasser)
  3. Absolute Realität: Gewahrsein, Stille zuinnerst (Himmel)

Zugang zu allen drei Realitäten macht den ganzen Menschen aus. Absolute Realität als oberstes, einziges Seinsziel zu haben, führt in die Sackgasse.

Zur Erfahrung seelischer Realität führte Richard in eine Paarübung. Die erste Person blieb mit offenen Augen als Begleiter(in) gegenwärtig, weit und umhüllend. Die andere Person schloss die Augen und ließ sich auf eine Erinnerung von Berührtsein in einer lebensgeschichtlichen Situation ein. Wahrnehmen, erspüren, nach und nach in einer Gebärde/Bewegung dem Empfundenen Ausdruck verleihen, Worte aus der inneren Verbundenheit aufsteigen lassen und dann aussprechen in die Präsenz der Begleitung hinein, darum geht es. Mit dieser Ankoppelung an eine öffnende, bereichernde Seinserfahrung schauten wir auf die Situation im Alltag. Welche Botschaft sprach die Erfahrung aus seelischer Realität der Alltagspersönlichkeit zu? Kein Nachdenken, die Worte fanden sich aus der Stille. Sie wurden ausgesprochen, nur die/der Begleiter(in) hörte sie. Es folgte Austausch und Rollenwechsel.

„Ich weiß nicht, ob du je bemerkt hast, dass totale Stille herrscht, wenn du vollkommen aufmerksam bist.“ (Krishnamurti)

Die Übungen am Nachmittag waren innere Reisen in einen stillen, sakralen Raum oder in die Weite des unbegrenzten Himmels. Es folgte der anschließende Austausch, der uns Gemeinsames erkennen ließ. Infolge des Benennens und Formulierens konnten die unterschiedlichen, individuellen, seelischen Facetten, das oftmals Verdeckte nun doch in Worte gefasst werden.

Kurzvorträge, Übungen, Austausch, Integration des Erlebten – diese Struktur im Ablauf zog sich durch alle 3 Tage. Und jeder Tag begann und klang aus in der Stille.

5 Hauptwahrnehmungskanäle und das „Innere Erforschen“

Wir erfuhren, dass es für die innere Wahrnehmung 5 Kanäle gibt:

  • Körperempfindung
  • Körperausdruck
  • Klang – Worte
  • Gefühle
  • innere Bilder,

und dass es hilfreich ist, die Aufmerksamkeit dahin zu lenken, damit wenigstens drei dieser Kanäle frei und spielerisch zugänglich sind. Ist nur ein Kanal entwickelt, bleiben die Seinserfahrungen flach. Wir übten zu zweit, unsere Wahrnehmungszugänge zu erweitern und immer wieder zu wechseln und auch den/die andere/n dabei zu unterstützen.

Auf diese Weise geben wir dem, das im Moment in uns lebendig ist, Raum. Es ist der erste Schritt des „Inneren Erforschens“. Ein weiterer Schritt ist das Erspüren der stärksten Resonanz mit der Frage: Was ruft mich jetzt? Wo zieht es mich hin? Und zuletzt das Vertiefen durch das Zulassen dieser Seelenbewegung, indem wir mit ihr mitgehen, ja uns ganz in diese Kraft hineinbegeben oder – noch intensiver: Das, was uns anrührt und bewegt, selbst sind.

Grundhaltungen und Werkzeuge des Begleitens

Wie können wir andere begleiten in diesem in immer größere Tiefe führenden Prozess? Wie können wir hilfreich sein, wenn schmerzliche Gefühle aus der Vergangenheit auftreten oder sich Schattenanteile zeigen? In eigenen Gebärden spüren wir uns in die Grundhaltungen des Begleitens hinein: Absichtslose Präsenz, bedingungslose Annahme, vertrauensvolle Offenheit und Verbundensein. Es sind essentielle Qualitäten, die uns aus dem Sein zufließen und in denen es sich in uns ausdrückt. Sie zu verwirklichen eröffnet den Raum, in dem das Begleiten anderer erst möglich ist.

Die 4 Werkzeuge des Begleitens in der Prozessarbeit entsprechen den Schritten des „Inneren Erforschens“:

  1. Die zu begleitende Person in die Gegenwart führen.
  2. Sie einladen, dem Neuem, das in ihr auftaucht, Raum zu geben (es „okay machen“).
  3. Bei einem eher statischen Erleben durch Wie-Fragen und die Anleitung zur Nutzung weiterer Wahrnehmungskanäle das Erleben vollständiger werden lassen.
  4. Bei einem beginnenden Prozess einladen, der Bewegung zu folgen, äußerlich oder (bei transpersonalen Prozessen) innerlich, darin einzutauchen und zuletzt diese Bewegung zu sein (Subjekt-Objekt-Perspektivenwechsel).
Tore ins Sein

Die Tore ins Sein sind unendlich. Sie sind der jeweils gegenwärtige Moment, so vielfältig wie er ist.

Nutzen wir diesen Moment, das heißt, sind wir mit unserer Aufmerksamkeit am rechten Ort, bei unserem Erleben, Empfinden? Sind wir fähig mittels Vertiefung den Weg zu unseren Ressourcen zu finden? Können wir annehmen, was jetzt da ist? Können wir eintauchen in das gegenwärtige Gefühl und eine Prozessvertiefung zulassen, „von innen her erfahren“?

In der inneren Erlebensarbeit geht es darum, Gefühle und Empfindungen offen im Hier und Jetzt annehmen und in der Gegenwart in heilsame Erfahrungen verwandeln, keine Verknüpfungen mit der Vergangenheit, das wäre Psychotherapie, kein nur „Offensein“ und Vorübergehenlassen ohne Anerkennung der seelischen Realität, das wäre Meditation.

Stille und Lauschen

Sein erfahren wir als Dimension von Stille. Gegenwärtig sein, unmittelbar sein ist auch hierfür die Voraussetzung. Die Aufmerksamkeit auf das Bewusstsein selbst zu richten, nennen wir Lauschen.

Direkte Zugänge zur Stille sind:

  • Ins Nichts lauschen – auf die Zwischenräume wie Gedankenleere, Atempause; intensiv ins Nichts lauschen = nur noch Lauschen sein;
  • Lauschen auf das Subjekt – auf das, was beobachtet, schauen; wenn wir intensiv unsere Aufmerksamkeit auf das Subjekt lenken, stürzen wir ins Nichts und es bleibt Lauschen pur!
  • Lauschen auf den Kontext – Wir lenken hier die Aufmerksamkeit auf den Kontext, in dem die Erfahrung stattfindet. Wenn wir uns dahin sammeln, wird es weit und still; es entsteht eine intensive Dichte. Wir sind uns der Stille und der augenblicklichen Erfahrung bewusst!
  • Lauschen auf die Totalität – Normalerweise fokussieren wir auf den Vordergrund einer Erfahrung und dieser wird dadurch scharf. Wenn wir auf die Ganzheit einer Erfahrung lauschen, wird der Vordergrund unscharf, aber die Ganzheit der Erfahrung wird erfahrbar. Wir tauchen ein in ein Lauschen, das alle Erfahrung mit einschließt.
Stille und Hingabe

Ein indirekter, aber sehr wirkungsvoller Zugang zur Stille ist Hingabe. Auch das Zulassen in den Schritten des inneren Erforschens ist eine Form der Hingabe. Die absolute Hingabe ist die vollständige Aufgabe von Kontrolle und ein sich selbst ganz Überlassen.

Vollkommenheit des Seins

Vollkommenheit des Seins ist eine Dimension jenseits von allen Wertvorstellungen, von allen Konventionen und angelernten Vorgaben. Was wir jahrelang und oftmals rezitierten „Geh, verlass die Heimat, die Welt darin du dich eingerichtet hast; das Haus voll von den Namen der Dinge; lass auch alles hinter dir, was dir die Wissenschaft vorspricht, geh…“ (jetzt frei formuliert nach Friedolin Stier), wird in diesen Tagen lebendige Wirklichkeit.

Alles ist in absoluter Vollkommenheit da, weil es existiert. Nur unsere Perspektive ist meist nicht wertfrei. Alle unsere Konventionen und Vorstellungen trennen uns von der Vollkommenheit des Seins.

„Wer die Wahrheit erfahren möchte, braucht nur aufhören sich seinen Meinungen zu verschreiben.“ (3. Zen Patriarch)

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Linkes Bild: 3. Zen Patriarch (Verfasser des Xinxinming); rechtes Bild: Sosan übermittelt das Mark der Lehre. Geschenk der chinesischen Delegation an Willigis. Fotos: Heidi Schoppenhorst

Richard Stiegler arbeitete mit uns mit Ernsthaftigkeit und mit viel Humor. Er klärte Fragen, ermutigte und leitete uns immer wieder zu kleinen Übungen an. Die Übungen zu zweit oder in der Gruppe ermöglichten einen überraschend direkten, unmittelbaren Zugang zu dem im Vortrag Gehörten. Und es wuchs das Vertrauen und das Staunen über das, was heilsam und in tiefe Seinsebenen führend in uns und in unseren Übungspartnern geschah.

In einem Wort von Dag Hammarskjöld sind auch unsere Erfahrungen in diesem Kurs aufgehoben:

VERSTEHEN – durch STILLE
WIRKEN – aus STILLE
GEWINNEN – in STILLE.

 

Elisa-Maria Jodl, Vorstandsvorsitzende WFdK, Annette Frickenschmidt, Pfarrerin und Kontemplationslehrerin der Wolke des Nichtwissens, Kontemplationslinie Willigis Jäger, Dr. Christoph Hövels, Lehrer der Wolke des Nichtwissens, Kontemplationslinie Willigis Jäger.

 

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