Würzburger Forum der Kontemplation e. V. (WFdK)Kontemplation, was ist das? |
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Rolf BogeDer Weg der KontemplationWir verwenden den Ausdruck "Kontemplation" sowohl für den Weg, die Methode (griech. "methodos" = Weg) als auch für den Inhalt bzw. das Ziel der Übung. Zur Methode möchte ich hier nur noch einmal bekräftigen, dass wir im Sitzen in der Stille die Kräfte des Willens, des Gemütes, aber auch des Verstandes ruhen lassen. Es geht dabei darum, Kontakt aufzunehmen zu einer Ebene der Wahrnehmung, die uns sonst verschlossen bleibt. Zwar haben manche Menschen eindrucksvolle "Gipfelerlebnisse" (Maslow 1988), sie sind angerührt und überwältigt von tiefen Erfahrungen oder Visionen. Das bleibt aber letztlich folgenlos, es führt nicht zu einer grundlegenden Öffnung für die transpersonale Ebene des Bewusstseins, wenn es nicht durch eine (angeleitete) Übungspraxis vertieft wird. Außerordentliche Erlebnisse, gleich welcher Art, führen nicht in die Tiefe der Kontemplation als Übungsweg. Paradoxerweise wird von uns in der Übung zuerst und immer wieder das Loslassen (auch von noch so eindrucksvollen Erlebnissen) verlangt. Erlebnisse, Gedanken, Fragen, Bedürfnisse werden losgelassen und geben so den Platz frei für Neues, vorher nicht Gesehenes, nicht einmal Geahntes. AnfangserfahrungenAls Anfänger – und das bleibt man für einige Jahre – kann einem noch so viel Gelesenes und Gehörtes (Vorträge) nur eine ungefähre, eigentlich ungeeignete Vorstellung von dem vermitteln, was einem später einmal in der Tiefe des eigenen Wesens entgegentritt. Viel Zeit vergeht erst einmal damit, dass man den ersten Schwung des Anfangs, die erste Euphorie allmählich aufgibt. Das Gefühl, man käme auf dem Weg der Kontemplation voran, weicht und macht einer Ernüchterung Platz. Es passiert rein gar nichts. Man fragt sich: Was mache ich da? Warum tue ich das überhaupt noch? Es gab Zeiten, da war für mich die Übung der Kontemplation nur noch die körperliche Seite der Übung, der Sitz, den ich als wohltuend empfand. In die Gegenwart kommen, alles, was mich beschäftigt, loslassen, den Atem spüren, das Gleichgewicht spüren, einfach da sein, ohne Zweck, das tat gut. Das war alles. Heute weiß ich, dass das nicht ganz stimmte. Gleichzeitig zu dem, was ich geschildert habe, passierte durchaus etwas. Während der Zeit der Übung ohne sichtbare "Erfolge" wurde eine Fähigkeit zur Wahrnehmung, zum Spüren trainiert und "installiert". Dazu kam die gedankliche Aufräumarbeit. Wenn es so ist – das muss jeder für sich klären –, dass es im Leben um Erfahrung geht, die Erfahrung des "letzten Grundes" im Hier und Jetzt, dann erweisen sich manche gedanklichen Systeme und Konstruktionen auch in der Religion als nebensächlich. Dogmen und Lehrsätze werden eher als ästhetische Gebilde oder als Symbole betrachtet denn in einem tatsächlichen Sinne mit Wahrheitsanspruch. Wer anfängt, von der (eigenen) Erfahrung her zu denken, löst sich von gedanklichen Krücken. Das vermittelt ein Gefühl der Freiheit, aber auch (zunächst) der Haltlosigkeit. In diesem "raumlosen Raum" muss man sich erst einmal einrichten. Auftauchende BilderDas alles gehört zur "via purgativa", dem Weg der Reinigung. Dazu gehört auch, eventuell auftauchende Bilder oder Parolen aus dem übersinnlichen Bereich (Symbole, Visionen o. ä.) anzunehmen, ohne sie überzubewerten. Die in der Übung erworbene Öffnung der Wahrnehmung führt zu vermehrten Erlebnissen dieser Art. Je nach der inneren Verfassung – die sich ändern kann – wird das von Angst oder Euphorie begleitet. Auch hier gilt das Loslassen. Das, was wir suchen, hat keine Bilder und Worte, es lässt uns zunächst sprachlos sein. Auch wenn es uns später gelingt, Worte zu finden, auch Sprach-Bilder, so ist uns bei der sprachlichen Darstellung solcher Erlebnisse immer bewusst, dass wir hier übersetzen und damit auch interpretieren. Anders ist das bei Erlebnissen aus der übersinnlichen Ebene. Sie kommen als Bild, möglicherweise mit einem kurzen Text "an". Man könnte sagen, sie "sind" Bild bzw. Text. Natürlich müssen auch solche Erlebnisse interpretiert werden, wenn wir sie überhaupt verwerten wollen. Hier muss ich die Gliederung der Bewußtseinsebenen ansprechen, wie sie Wilber (1996) aufstellt. Jenseits der rationalen oder auch mentalen Ebene, die die durchschnittliche Bewußtseinsebene der meisten Menschen unseres Zeitalters darstellt, werden drei Ebenen angenommen: 1. übersinnlich, noch einmal zu unterteilen in psychisch und subtil, 2. kausal, 3. kosmisch oder nichtdual. Da die Erlebnisse der übersinnlichen Ebene so eindrucksvoll sein können, besteht die Gefahr, darin steckenzubleiben und "sich im Wald zu verlaufen". Diese Ebene ist sehr ausgedehnt und in sich differenziert. Die Gestalten aller Religionen, auch der Sagen und Mythen, der Symbole und der parapsychologischen Phänomene bis hin zur Magie kommen darin vor. Naturerlebnisse, wie das Spüren der Kräfte in Bäumen und Flüssen, gehören auch dazu. Sie werden oft fälschlich als kosmisch bezeichnet. Ich habe auf meinem Weg erlebt, wie ich an das Ende dieser Bilderwelt gelangte. Durch ein Bild wurde mir das Ende der Bilder angekündigt. FortschritteDas war die Vorbereitung zu einem Erlebnis, für das es verschiedene Namen gibt: "Durchbruch" erscheint mir der geeignete Ausdruck, Stanislav Grof würde von einer Geburt sprechen, hier von der "dionysischen" und der "prometheischen Ekstase" (Grof 1985); "Erleuchtung", ein Ausdruck der Tradition, klingt etwas romantisch. Auch noch so viele Beschreibungen können keinen geeigneten Eindruck von dem vermitteln, was da geschieht. Jeder erlebt es anders. In dürren Worten ist es eine Gewissheit: "Das ist es!" In einem Bild ausgedrückt: Die Tür zu transpersonalem Erleben, die bisher gelegentlich oder auch für längere Zeit einen Spalt weit aufging, ist mit Schwung aufgeschlagen und – abgerissen. Die Tür bleibt auf und kann nicht mehr zugehen. Aber auch das ist nur eine Etappe, eine gewiss wichtige Stufe, die kausale (via illuminativa). Am Anfang überwiegt noch das Staunen über die erweiterte Wahrnehmung. Man spürt, wie die Versenkung kommt, auch außerhalb der Übung, bei alltäglichen Dingen. Man empfindet es als Begegnung, als Überwältigung, durchaus freudig. Die Übung fällt nun leichter. Allmählich kündigt sich etwas Neues an, eine größere Klarheit. Die Versenkung wird tiefer und "breiter ". Es ist alles ganz bildlos, allerdings nicht gefühllos, und es fällt schwer, dafür Worte zu finden. Es ist zunächst ein "Mehr" von dem, was man schon erlebt hat, und doch eine neue Qualität. Man könnte hier mit einem philosophischen Ausdruck vom "Umschlag der Quantität in die Qualität " sprechen. Irgendwann ist es passiert: Man erlebt das Eintreten der Versenkung nicht mehr. Scheinbar passiert nichts mehr, weder in der Übung noch außerhalb. Und doch ist "Es " da, mit noch größerer Kraft und Präsenz. Mit aller gesammelten Aufmerksamkeit kann man vielleicht in der Übung feststellen, dass die Versenkung noch tiefer ist als außerhalb, ohne dass sich dabei besondere Gefühle einstellen. Das ist, in der Nomenklatur der Stufen gesprochen, die kosmische oder nichtduale Stufe (via unitiva). Wenig aufregend, wenn man dort angekommen ist, gar nicht romantisch, nichts von dem, was allgemein als "mystisch " gilt, aber doch höchst erstaunlich. Man registriert: Gleichzeitig zu allem, was man tut, auch zum Schlaf, ist man ständig in Versenkung – ohne Einschränkung der Beweglichkeit aller Ich- Funktionen. Um das Bild von der Tür aufzugreifen: Rundherum, an allen Seiten, hat das ganze Haus nun zahlreiche Öffnungen, ohne einzustürzen. Das ist ein schwaches Bild für die erreichte "Durchlässigkeit " (Dürckheim 1973). Das Ich bleibt stabil, es verliert sich nicht. Die Stärken, aber auch die Schwächen bleiben erhalten, wenn man einmal von der einen oder anderen Verbesserung absieht. Man geht nicht auf Wolken, kann nicht fliegen. GegenwartWas hat sich dann überhaupt geändert? Wozu ist das Ganze gut? Zunächst möchte ich sagen, dass die ganze Entwicklung und auch der jetzt erlebte Zustand eine emotionale und "weltanschauliche " Seite hat, die ich in der Darstellung bewusst zurückgehalten habe. Das hat einerseits mit meinem Respekt vor diesem Prozess, auch vor den Empfindungen anderer, zu tun, andererseits mit den Missverständnissen der Sprache. Unser Sprechen und Denken geht immer vom Gut-Böse-Dualismus (oder Ja/Nein, Schwarz/Weiß, Ich/Nicht-Ich usw.) aus, der grundlegenden Zweiwertigkeit (Polarität). Außerdem setzen wir eine Skala steigernder Empfindungen und Wertigkeiten voraus, die in der Ekstase als höchstem Zustand gipfelt. Da fällt es schwer, angemessen einen Zustand, eine Erlebnisweise jenseits der Polarität und der Ekstase darzustellen, der außergewöhnlich und zugleich so normal wie ein Glas Wasser ist. Man nimmt gleichzeitig beides wahr: das Ich und die Außenwelt mit ihren Polaritäten und wechselnden Stimmungen, aber auch und zugleich das Gegründet-Sein in der "Tiefe ". Alles ist jederzeit da und vollkommen. Nichts fehlt. "Ich kann nicht dagegen sein. " Ich bin untrennbar mit dem "Leben " verbunden. Da gibt es kein Ich und kein Du, keinen Anfang und kein Ende. Stimmungen erreichen mich durchaus, teilweise noch intensiver als zuvor, aber sie bleiben nicht lange an mir hängen. Da gibt es etwas, das sich durchhält, das mir Stabilität gibt, aber das liegt nicht in mir. Aber "Es " ist in mir präsent, scheint durch mich hindurch, begegnet mir in allem, was ich sehe und erlebe. Ich kann mich auf das konzentrieren, was gerade zu tun ist, und bleibe doch ständig in Kontakt mit dem "Leben ". So ist der Prozess, in groben Zügen dargestellt. Alle Erfahrung ist unabschließbar, aber hier ist ein gewisser Zwischenstand erreicht. Es wird immer wieder neue Versuche geben, den Weg der Kontemplation darzustellen, weil wir ständig auf der Suche nach geeigneten Sprachformen sind. Ich hoffe, dass diese Darstellung ein Beitrag zum Verstehen und zur Verständigung ist. Literatur: Rolf Boge, Rolf Boge, Holzappeler Hütte 20 D, 56379 Holzappel, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! |
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