Würzburger Forum der Kontemplation e. V. (WFdK)Aus der Praxis für die Praxis |
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Meditation im StrafvollzugAutorin: Anna Osterkamp-BrändleAnna Osterkamp-Brändle berichtet vom Wunder der Achtsamkeit, vom Dasein-Dürfen an einem Ort, der sich durch das Dasein-Müssen definiert – die Justizvollzugsanstalt Landsberg a. L. Sie läßt uns ein zartes Pflänzchen Hoffnung spüren, weggeschlossen hinter Gittern und dicken Mauern – Sehnsucht nach Leben. (MB) Im Strafvollzug werden neue Wege beschritten: Im Untersuchungsgefängnis München-Stadelheim, zum Beispiel, bieten ehrenamtliche Mitarbeiter/innen der Gruppe Ephata Meditationen für die inhaftierten Menschen an. Die „Schreibwerkstatt“ der JVA Weiterstadt verfaßt Texte, die im Zusammenspiel mit Musikmeditation, Mandalas oder Meditationsbildern entstehen. Und das wohl eindruckvollste Projekt, das übrigens durch einen Dokumentarfilm belegt ist, entstand bereits 1994 in New Delhi: Im berüchtigten Tihar-Gefängnis wurde ein zehntägiges Vipassana-Retreat organisiert, an dem eintausend Gefängnisinsassen und ihre Bewacher teilnahmen. Dagegen nimmt sich unser kleines Projekt in der Justizvollzugsanstalt Landsberg am Lech – zumindest zahlenmäßig – eher bescheiden aus. Seit Dezember 1999 betreuen mein Mann und ich, mit engagierter Unterstützung des Gefängnisseelsorgers, eine Meditationsgruppe, die sich aus 12 Männern aller Altersstufen zusammensetzt. Der Anstoß war von einem der Häftlinge gekommen. Er hatte in der Untersuchungshaft in München an den Meditationen teilgenommen und gab seine Anregungen und Erfahrungen an die Landsberger Betreuer weiter – bis diese uns schließlich ansprachen und wir zusagten. Zunächst waren formale Hürden zu bewältigen, Genehmigungen einzuholen, die Anstaltsleitung für die Idee zu gewinnen. Herr Pfarrer Hofer hatte diese organisatorischen Aufgaben übernommen, hatte den Gruppenraum für uns reserviert und die Teilnehmer zusammengeführt, die sich auf das Sitzen in der Stille einlassen wollten. In der sonst eher bedrückenden Atmosphäre einer Haftanstalt ist der ruhige Gruppenraum – mit Teppichboden und hellen Jalousien vor den vergitterten Fenstern – ein Ort zum Aufatmen, und so kann geschehen, was mich immer wieder berührt: Beim Eintreten umfassen die Männer den Raum mit einem Blick, die Augen werden weicher, die Stimmen gedämpfter – manche sprechen es auch aus: „Die Atmosphäre hier ... die Blumen ... die Kerzen ... es tut einfach gut ...“ Wir beginnen mit einer kurzen Einstimmung – meditative Musik oder ein hinführender Text, manchmal auch ein Gesprächsimpuls zum Erfahrungsaustausch oder gemeinsames Tönen. Danach machen wir Entspannungsübungen oder einfache Yogaübungen, um den Körper auf das stille Sitzen vorzubereiten. Nach Absprache mit P. Willigis üben wir das einfache Dasein in der Stille, die Aufmerksamkeit auf den Atem und das Wort ausgerichtet, so wie es in den Kontemplationskursen im Haus St. Benedikt gelehrt wird. Zunächst hatten wir den Zeitrahmen für das stille Sitzen eng gesteckt – zwei kurze Meditationsperioden, dazwischen meditatives Gehen. Selbst während dieser kurzen Spanne von 10 - 15 Minuten taten sich die Teilnehmer schwer mit der ungewohnten Ruhigstellung des Körpers. Inzwischen konnten wir die Meditationszeiten behutsam verlängern. Im Verlauf der Monate konnten die Gruppenmitglieder ihre Achtsamkeit schulen, und die „Kerngruppe“ kann auch einmal einen unruhigen neuen Teilnehmer mittragen. Durch Verlegungen oder Entlassungen gibt es immer wieder einmal freie Plätze in der Gruppe. Es besteht jedoch eine große Nachfrage – nach Aussagen des Seelsorgers ist die Meditation zeitweilig der „Renner“ unter den Freizeitangeboten, so daß dann Interessenten von der Warteliste nachrücken können. Wie auch in den Kursen „draußen“ sind es ganz unterschiedliche Menschen, die in die Gruppe kommen: alte und junge, intellektuelle und Menschen mit eher einfachem Gemüt; Männer, die über Kampfsportarten mit Konzentrationstechniken vertraut sind, und solche, die sich nie zuvor mit Achtsamkeitsübungen befaßt haben. Manch einer schaut nur aus Neugierde einmal herein; der eine findet Gefallen, andere kommen nie mehr wieder. Manchmal hören wir auch das ehrliche Bekenntnis: Alles ist besser als die Einsamkeit der Zelle. Vor allem anfangs wurden in den Feedback-Runden auch kritische Stimmen laut, Fragen nach Sinn und Zweck der Meditationsübung gestellt. Die meisten Teilnehmer jedoch erleben diese kurze Zeit des Innehaltens als wohltuend und unterstützend. Alle schätzen die heilende Kraft der Stille – kein Lärm – keine Worte – keine Anforderungen – einfach nur Dasein dürfen. Man könne Ruhe finden, zu sich selbst finden, Abstand vom bedrückenden Alltag der Haftanstalt gewinnen. Der unablässige Strom der Gedanken fließe langsamer, die Sorge um die Familie, um die Zukunft trete für eine Weile in den Hintergrund. Die Einübung ins stille Sitzen helfe, die Dinge so zu sehen, wie sie sind, und dort anzukommen, wo man steht; sie helfe auch, sich besser mit der gegenwärtigen Situation auseinanderzusetzen oder bei Konflikten mit anderen besonnener zu reagieren. Manche setzen die Übung der Atem-Achtsamkeit auch ganz bewußt im Alltag ein – wie sie uns berichten, insbesondere wenn sie schlaflos liegen und von Ängsten und Gedanken bestürmt werden. „Manchmal sitze ich einfach nur da, abends, in meiner Zelle – ich tue nichts, denke an nichts. Und wenn ich wieder auf die Uhr schaue, sind 2 Stunden vergangen ...“ – solche und ähnliche Aussagen sprechen für sich. Auch im zwischenmenschlichen Kontakt der Teilnehmer untereinander und zu uns ist eine Veränderung eingetreten – Vertrautheit, Vertrauen und Akzeptanz konnten wachsen. So erleben wir die Arbeit mit diesen Menschen in einer ungewöhnlichen Lebenssituation auch für uns selbst als sehr bereichernd, und wir freuen uns immer wieder, wenn wir gemeinsam „das Wunder der Achtsamkeit“ in den kargen Alltag einer Haftanstalt einladen dürfen. Anna Osterkamp-Brändle |
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