Würzburger Forum der Kontemplation e. V. (WFdK)Fortbildung - Werkstattberichte |
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Die Wirklichkeit hinter den BildernFortbildungskurs des WFdK: Januar 2013, Benediktushof, Holzkirchen Ein WerkstattberichtAutor: Malte Helbing So lautete der offizielle Arbeitstitel eines Kurses, den Franz-Xaver Jans-Scheidegger in der Zeit vom 20.–25. Januar 2013 als WFdK-Fortbildung am Benediktushof anbot. Nachträglich angefügt war unterhalb der Agenda zur Fortbildung fast unauffällig ein Zitat Meister Eckhart’s: „Wer kommen will in Gottes Grund, in SEIN Innerstes, muss zuvor kommen in seinen eigenen Grund, in sein eigenes Innerstes, denn niemand kann Gott erkennen, er muss zuvor sich selbst erkennen…“. Dieses Zitat war letztlich das eigentliche Thema der Fortbildung. Über das Medium der Aktiven Imagination führte uns Franz-Xaver mit absoluter Zielsicherheit und zum Teil erschreckender Dynamik in die Tiefen unserer eigenen Bilderwelt. Er selbst nannte es eine „Steilvorlage“ und dies konnte nur in so wunderbarer Weise gelingen, da ein festes, täglich wiederkehrendes Ritual über die gesamte Dauer der Fortbildung Rahmen und Halt gab. Im Rückblick muss man sagen, es war zugleich ein Meister(lehr)stück der gelungenen Kursleitung. Der RahmenDer äußere Rahmen. Der Raum war unterteilt in drei Bereiche, die sich aufeinander bezogen. Es gab den vertrauten Kreis der Meditationsmatten und Sitzkissen, in dessen Mitte ein Tuch mit dem Rad-Symbol von Bruder Klaus ausgebreitet lag. In einem zweiten Kreis um die Sitzmatten herum waren Yogamatten für die Zeiten der Aktiven Imagination angeordnet. Durch den Altar in der Raummitte abgetrennt standen im hinteren Teil des Saales Tische, an denen in praktischer Arbeit die Bilder der aktiven Imagination entstanden und auch die Inhalte der Fortbildung vermittelt wurden. Der menschliche Rahmen Durch die so deutlich spürbare Sorge um das „Gefäß der Gruppe“ im Zusammenspiel von Franz-Xaver, Hildegard und Elisa-Maria konnte die Fortbildung überhaupt nur ihren so wohltuenden Verlauf nehmen. Dieses „Gefäß der Gruppe“ schuf schützenden Raum für die offene und ehrliche Begegnung mit sich selbst und dem Nächsten. Man konnte und durfte hier ankommen, durfte einfach sein. Der innere Rahmen Jeder Morgen begann mit dem meisterhaft geschlagenen Gong von Elisa. Dann folgten Leibübungen. Es war eine Wohltat, so am frühen Morgen in seinem Leib anzukommen und es war eine besondere Wohltat, wie Hildegard diese Übungen so einfühlsam, detailgenau und unaufdringlich anleitete. Abgeschlossen wurde diese Übung allmorgendlich mit der großen Gebetsgebärde, die im Laufe der Tagung zunehmend an Tiefe gewann. Das anschließende zweimalige Sitzen in Stille bereitete auf den Tag vor. Und überhaupt war es dieses Sitzen in Stille, das wie ein roter Faden die Kurstage durchzog; es brachte in die eigene Mitte zurück und vertiefte die in der Aktiven Imagination geschauten Bilder. Der ganze Kurs verlief bis auf die kurze Zeit der „Fragestunden“ in absolutem Schweigen. Der Abend wurde beschlossen mit dem gesungenen Bruder-Klaus-Gebet: „Mein Herr und mein Gott, nimm alles von mir, was mich hindert zu dir. Mein Herr und mein Gott, gib alles mir, was mich fördert zu dir. Mein Herr und mein Gott, nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen dir.“ Dieser ritualisierte Tagesablauf mit seinem Rahmen ließ nun einen Raum entstehen, in dem sich das eigentliche Thema der Tagung „Die Wirklichkeit hinter den Bildern“ in der Aktiven Imagination entfalten konnte. Die Wirklichkeit hinter den BildernDer Montagabend begann mit dem Sitzen in Stille, einer kurzen Einführung in die Thematik, ohne allzu viel zu verraten, einer Vorstellungsrunde, in der jeder Teilnehmer sich und die Beweggründe für die Teilnahme kurz vorstellen konnte und dem anschließenden Sitzen in Stille. Der zweite Tag der Fortbildung führte gleich in die Tiefen der aktiven Imagination ein, wobei sich Franz-Xaver hier einer Methodik bediente, die sich im Laufe einer fast 30-jährigen Forschungsarbeit am C. G. Jung-Institut in Zürich, fußend auf Vorarbeiten von Michael Grünwald, Rudolf Michel und Ingrid Riedel, entwickelt hatte. Das „weiße Blatt“ „Wie bin ich da, wenn ich sage, ich bin da?“ Erste Übung war es, dieser Frage nachzuspüren, sie in unserer körperlichen Befindlichkeit wahrzunehmen und eine entsprechende Körperhaltung einzunehmen. Vor jedem von uns lag ein weißes DIN-A3-Blatt und ein Stift. In einem einzigen Strich sollten wir nun diese Körperhaltung bildlich zu Papier bringen. Die Seelenlandschaft In einem zweiten, sofort anschließen den Schritt ertasteten wir mit geschlossenen Augen ein weiteres, leeres weißes Blatt gleichen Formates. Nun wies uns Franz- Xaver an, bei geschlossenen Augen den Punkt mit dem Zeigefinger auf dem Blatt zu erspüren, an dem „ich jetzt bin“. Es war eine verblüffende Erfahrung, festzustellen, dass der Finger nach einigem Spüren mit absoluter Sicherheit an einer bestimmten Stelle wie von selbst auf dem Blatt stehen blieb. Wir wurden angehalten, die Augen zu öffnen, und diesen Punkt mit einem „X“ zu markieren. So folgten weitere sechs Punkte:
Jeder Punkt wurde mit einem eigenen Symbol gekennzeichnet. Dies war nun unsere Seelenlandschaft, die uns die nächsten Tage begleiteten sollte. Die Lebensringe Wieder ein neues weißes Blatt gleichen Formates. Es galt darauf den Punkt des Lebensbaumes zu übertragen und dann, ausgehend von diesem Punkt für je 2 Lebensjahre spiralförmig dieses Leben sich in einem Zug, ohne abzusetzen entfalten zu lassen. Ergebnis waren die sich spiralförmig entfaltenden Lebensringe, mal eng aneinander liegend, mal weit gestreckt, in bestimmte Richtungen eine deutliche Dynamik zeigend, sich manchmal fast berührend oder überschneidend. Keine Erklärung von Franz-Xaver, nur die Aufforderung, eigene Eindrücke jeweils auf der Rückseite der Blätter festzuhalten. Die erste Reise Am Nachmittag eine erste Aktive Imagination. Als Vorbereitung und Einstimmung eine Reise in unseren Körper, die wiederum Hildegard in wunderbarer Weise anleitete. Von diesem „Im Körper Zuhause-Sein“ traten wir die Reise in unsere Seelenlandschaft an. Bei geschlossenen Augen, begleitet von Franz-Xaver am Monochord, wurden wir auf die Reise in unsere Seelenlandschaft „geschickt“. Wir sollten uns auf die Reise von dem Punkt, an dem wir jetzt sind zu dem Punkt unseres nächsten Schrittes begeben. Wie lange die Reise dauerte, wird wohl keiner der Teilnehmenden exakt bestimmen können Die Zeit schien hier ihre eigenen Gesetze zu haben. Sanft wurden wir am Ende zurückgeholt. Es wurde Zeit gegeben anzukommen und dann wurden wir eingeladen, die inneren Bilder mit den mitgebrachten Stiften festzuhalten. Es gab keine Eile, es musste nichts fertig werden, es war die Geburt eines geschauten Bildes in die Wirklichkeit. Am Abend dann nur Sitzen in der Stille, keine weiteren Erklärungen. Erstes Licht im Dunkel Der nächste Morgen brachte dann ein erstes Mal Licht in das Dunkel. Franz- Xaver erläuterte die zugrunde liegende (tiefen)psychologische Struktur anhand eines weiteren leeren weißen Blattes, das quasi als Folie über die entstandenen Bilder gelegt werden konnte. Da gab es auf einmal Quadranten, die Kollektives, Bewusstes und Unbewusstes, Väterliches und Mütterliches darstellten, es gab die horizontale Zeitachse und die vertikale Ich-Selbst-Achse, die Metadiagonale und die Lebensdiagonale, Logos und Bios. Die Überraschung kam dann, als wir dieses Muster tatsächlich über unsere Zeichnungen legten. Da war auf einmal nicht mehr nur eine Figur auf einem leeren weißen Blatt Papier gezeichnet, da lagen die Punkte unserer Seelenlandschaft nicht mehr nur irgendwo im Raum, da konnte man im inneren Erspüren aktuelle, aber auch grundlegende Haltungen in der eigenen Biographie wiederfinden, es ergaben sich Bezüge, die man vielleicht so zum ersten Mal wahrnahm… Neugier, Erstaunen, Erschrecken, in jedem Falle tiefes Berührtsein … und wieder der Halt gebende Rahmen, das Sitzen in Stille. An diesem Tag begannen auch die Einzelgespräche (25 Minuten für jeden der 25 Teilnehmer in den folgenden 3 Tagen)!! Die zweite Reise Am Nachmittag nun der „Abstieg“ zu dem Punkt, wo man auf keinen Fall hin möchte! Wieder zuerst die Verankerung im Körper, dann die Imagination - diesmal begleitet von Trommelschlägen. Die Klänge der Trommel gingen tief, schienen tiefste Tiefen wachzurütteln. Nach dem, diesmal nur mehr oder weniger „sanften Erwachen“ auch heute wieder der zeichnerische Ausdruck des geschauten inneren Bildes. Wir hatten Zeit bis zum Abend. An diesem Abend konnten wir fragen und wir hatten viele Fragen… . Danach wieder das Sitzen in Stille. Das verloren gegangene Potential Am vorletzten Tag differenzierte Franz- Xaver immer mehr die zugrunde liegende Struktur des „weißen Blattes“. Zudem zeigten sich im Verbinden der einzelnen Punkte unserer Seelenlandschaft Bereiche des je individuellen Wirkens. Er belegte anhand von Beispielen aus seiner Praxis die jeweils mögliche Deutung. Besonders deutlich wurde, welch ungeheures Potential man „verschenkt“, lässt man sich nicht auf den Punkt ein, wo man auf keinen Fall hin möchte, den Kernschatten, Schmerzpunkt oder wie auch immer man diese blinde Stelle benennen möchte. Ein großer Teil des eigenen, vorhandenen Potentials wird nicht erfahrbar. Dies war schon alleine grafisch erkennbar, sparte man in der Seelenlandschaft diesen Bereich aus. Dort in der Tiefe lauert das Licht, liegt unser Potential. Pixelexistenz oder die Wirklichkeit hinter den Bildern Der Angst, mit der zugrundeliegenden Struktur ein für alle Mal in Schubladen verpackt und bis an das Lebensende „verdammt zu sein“, nahm Franz-Xaver jeden Wind aus den Segeln. Diese Quadranten, Achsen, Diagonalen und Bereiche waren nur Aspekte einer dynamischen Grundstruktur in permanentem Wandel. Achsen verschoben sich, Diagonalen kehrten sich um: „Wie oben, so unten; wie links, so rechts“ – der alte Grundsatz der alchemistischen Mystik. Auf einmal wurde klar, all das, was wir hier in inneren Bildern als Momentaufnahmen erleben, ist immer nur ein kleiner, winziger und relativer Ausschnitt der Wirklichkeit hinter den Bildern. Die von uns geschaute äußere Welt ist immer nur eine Projektion unserer eigenen inneren Bilder und in dem Maße, wie wir uns verändern, verändert sich auch unsere Sichtweise, unser Erleben der Wirklichkeit. Wir selbst sind in unzähligen Bildern immer nur Ausdruck der einen Wirklichkeit. Der Begriff der Pixelexistenz fiel. Aber auch hier wieder: „wie innen, so außen … „solve et coagula“. Was einzig bleibt, ist die eine Wirklichkeit hinter den Bildern, das nie geschaute letzte Bild. Eine Ahnung stieg auf: Nimmt man nun diesen ganzen Facettenreichtum innerer Bilder, spürt man dem ewigen Werden dieser Bilder nach, so konnte man ganz leise im Hintergrund das Murmeln dieses großen ewigen Flusses des Lebens wahrnehmen, dieses ewige Stirb und Werde, diesen alles durchdringenden Urgrund, diese unendliche Liebe, die alles durchwebt, miteinander verbindet und zusammenhält. War das nicht auch das zweite Zitat Meister Eckhart’s, das auf der Agenda zur Fortbildung zu lesen war?: „Gott und ich, wir sind eins; Gott wirkt und ich werde.” Schloss sich hier nicht ein Kreis? Ist vielleicht der Weg der Individuation nur die in aller Demut immer bewusstere Haltung des aktiven „Dein Wille geschehe“. Dies verlangt auch den Mut, immer wieder in die eigenen Tiefen zu schauen. Die Kontemplation ist hierbei ebenso wie die Aktive Imagination eine Hilfe auf dem Weg. So zumindest habe ich es erfahren. Die ReflektionDer Brief Am Nachmittag noch eine wunderbare Aufgabe: „Schreibt euch selbst einen Brief, in dem ihr euch all das mitteilt, was ihr euch selbst auf eurem weiteren Weg wünscht!“ Der Brief kam in einen Briefumschlag mit der je eigenen Adresse. Zu Ostern wird er per Post bei uns eingehen. Wir sind ja vergesslich … Die Begegnung Danach nun keine weitere Imagination, dafür die Aufforderung, in Gruppen von jeweils 5 Personen gemeinsam sich im Gespräch über ein je eigenes, selbst gewähltes Bild der letzten Tage zu begegnen. Aber nicht, dass wir uns aussuchen konnten, mit wem wir gerne unsere Inneren Bilder hätten teilen wollen. Nein, vor uns lagen 25 Postkarten mit 5 verdeckten Motiven. Jedes Motiv wählte seinen „Besitzer“. Dass die Begegnung im Gespräch dennoch zutiefst berührte, merkte man spätestens beim Abendessen. Nicht alle Plätze waren besetzt und der Zustrom in den Speisesaal war eher zögerlich. Die Aussprache Der letzte Tag brachte dann noch die Aussprache. Es war bewegend und zutiefst berührend. Diese sich großenteils unbekannten Menschen waren als Gruppe in aller Offenheit und Verletzlichkeit, die dieser Weg in die eigenen Tiefen mit sich bringt, sehr nah zusammengerückt. Ohne dieses „Gefäß der Gruppe“ und den tragenden Rahmen wäre dieses Wagnis der Begegnung mit sich selbst und den Anderen nicht möglich gewesen. Der Prozess, auf den wir uns gemeinsam eingelassen hatten, war letztlich nur die gemeinsame Erfahrung des Zitates von Meister Eckhart: „Gott und ich, wir sind eins; Gott wirkt und ich werde.” Ich danke dir von ganzem Herzen, lieber Franz-Xaver, liebe Hildegard, liebe Elisa, ich danke euch allen, die ihr an dieser Fortbildung teilgenommen habt. Malte Helbing |
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