Würzburger Forum der Kontemplation e. V. (WFdK)

Orte der Praxis

 

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Die Marktkirche in Essen

Autorin: Karin Gerhard

„Es gibt ja keine Zeit im innigen Gebete – Wie wundervoll allein so mit dem Freund (mit Gott) zu sein. Niemandes Glauben sind wir gegnerisch gesonnen. Vollkomm’ner Glaube wird ja Liebe nur gebären.“

Diese Worte von dem Sufi-Mystiker Yunus Emre beschlossen im Februar 2009 den meditativen Gottesdienst von Christen und Muslimen in der Marktkirche in Essen. Beide – Imam Dr. Ismail Altintas und Pfarrer Manfred Rompf – sprachen diese Worte nacheinander zum Abschluss ihrer Dialogpredigt.

Unter dem Titel „Der eine Gott, aber verschieden von den Menschen erfahren“ verlief der Gottesdienst mit Lesungen aus der Bibel und Koranrezitationen (arabisch „gesungen“ – klingt sehr schön!), mit Stille, Besinnung und meditativen Gesängen. Ein islamischer Kinderchor mit Mädchen und Jungen sangen Dank-, Lob- und Anbetungslieder für Allah und übersetzten uns auch die Texte.

Nach dem Gottesdienst folgte unter dem Titel „Mystik und Widerstand“ ein Konzert mit vor allem türkischen Musikern, Derwisch-Tänzen und Lesungen aus der mystischen Literatur des Islam und des Christentums aus alter und neuer Zeit.

Manfred Rompf, evangelischer Pfarrer i. R., Initiator der regelmäßigen Meditativen Gottesdienste in der Marktkirche und Kontemplationslehrer, hat gemeinsam mit der Gruppe „Mosaik e.V.“ (Zentrum zur Förderung des interkulturellen Dialogs in Düsseldorf) diese Veranstaltung geplant und die Marktkirche als Veranstaltungsort gewählt.

Die Marktkirche als Ort geistiger und geistlicher Auseinandersetzung

Die alte Marktkirche, im Zentrum der Stadt Essen gelegen, ist erstmalig schon 1054 benannt worden und wurde 1563 das erste protestantische Gotteshaus in Essen.

Nach Zerstörungen, Wiederaufbau und Erneuerungen hat sie sich von der Gemeindekirche in ein übergeordnetes Zentrum der evangelischen Kirche entwickelt. „… ein Ort geistiger und geistlicher Auseinandersetzung mit dem Ziel, den ganzen Menschen zu erreichen, in dem Körper, Seele und Geist durch Wort und Kunst, durch Musik und Bewegung angesprochen werden.“ (Ges. d. Freunde und Förderer der Marktkirche)

An einigen Sonntagabenden gibt es Gottesdienste ganz unterschiedlicher Prägung: „Menschen können hier erfahren, dass Gottesdienste musikalische Kostbarkeiten sein können oder in meditative Tiefen führen, sie können in der Tradition verwurzelt ablaufen oder gestalterisches Wagnis sein. …“

Die Marktkirche soll als „Haus für die Weite des Lebens“ erlebbar werden.

Ein Ort zum Verweilen und Schweigen

Tagsüber ist die Kirche geöffnet, um aus dem Getriebe der Stadt hier einen Ort zu finden für Stille, Einkehr, Gebet, oder eine Kerze anzuzünden. An jedem Wochentag findet um 17.00 Uhr eine Kurzandacht statt. Im Eingangsbereich können Wünsche, Gefühle und Anliegen in ein ausliegendes Buch eingetragen werden.

Auf der kleinen Empore gibt es zusätzlich zwei Plätze zum Sitzen in der Stille mit Meditationsbänkchen und einem Kissen. In der Einladung heißt es: „Gönnen Sie sich diese Möglichkeit, ein wenig Abstand zu gewinnen und für einige Minuten Innen- und Gottesschau zu halten – auf einem Stuhl oder einem Meditationsbänkchen sitzend, den eigenen Atem oder den Herzschlag beobachtend.“

Einmal im Jahr findet eine Woche „Zeit des Meisters“ statt, geleitet von Christina Brudereck mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Es brennen viele Kerzen, Ikonen sind aufgestellt, Meditationsbänkchen laden zum Sitzen in der Stille ein. Von morgens bis abends gibt es Tagzeitengebete zur vollen Stunde für etwa 15 Minuten mit ein oder zwei meditativen Wiederholungsgesängen, mit Impulsen aus der Bibel, einem Text aus der Mystik, einem meditativen Gebet und einer Anleitung zur Meditation.

Gottesdienste mit unterschiedlicher Thematik

Am 2. Sonntag im Monat, um 18.00 Uhr lädt die Evangelische Jugend Weigle Haus e.V. unter der Überschrift „Taste of Heaven“ zu einem Gottesdienst für Jugendliche und Erwachsene ein – mit Live-Musik, Texten und neuen Liedern, jugendgerechten Lesungen, Aktionen und geistlichen Impulsen. An jedem 3. Sonntag im Monat um 18.00 Uhr finden hier meditative Gottesdienste statt, die der Besinnung und Stille besonderen Raum geben. Die meditativen Gottesdienste werden mit unterschiedlichen Themen von PfarrerInnen zusammen mit entsprechenden Teams angeboten, z. B.:

  • mit Taizé-Gesängen
  • mit meditativen Tänzen
  • mit persönlicher Segnung, Salbung und Handauflegung
  • mit gregorianischen Gesängen
  • mit Instrumental-Musik
  • mit geleiteter Meditation und Kontemplation
  • interreligiös – meist mit Muslimen – manchmal mit meditativen Tänzen von einer Muslimin aus einem Sufi-Orden angeleitet.

Ich gestalte ab und zu mit Manfred Rompf zusammen einen meditativen Gottesdienst, in dem ich meditativen Tanz und Gebetsgebärden anbiete. Der Raum ist dafür wunderbar geeignet. Seine innewohnende Stille hilft hinein in achtsame Schritte und beseelte Gebärden und in einen Kreis spürbarer Verbundenheit.

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Über die Segnungs- und Salbungsgottesdienste berichtet Pfarrerin Giselheid Bahrenberg:

„Seit Februar 2007 feiern wir in der Marktkirche auch Segnungs- und Salbungsgottesdienste, in denen Menschen sich ganz persönlich segnen und salben lassen. Diese Gottesdienste finden zweimal im Jahr statt.

Die Initiative dazu ging anfangs von mir aus, aber inzwischen gehören auch einige Kolleginnen und Kollegen aus Essen sowie Menschen aus unterschiedlichen Essener Gemeinden zum Salbungsteam.

Bei der Salbung geht es darum, dass Menschen sich mit Leib und Seele von der göttlichen Gegenwart berühren lassen. Berührung ist ein urmenschliches Bedürfnis. Unser Körper hilft uns, Gottes Nähe zu spüren und zu erfahren und nicht bloß zu denken.

Nach einer inneren Einstimmung und Vorbereitung mit meditativen Liedern, Gebet, Stille, Gebärden und einer Ansprache, die Heilung in einem weiten Sinn zum Thema hat, findet die Salbung statt.

Im Raum sind einige Salbungsstationen eingerichtet, je nach der Zahl der zu erwartenden Besucher und Besucherinnen. Alle, die sich salben lassen möchten, gehen zu einer der Stationen und stellen sich in Gruppen von ca. 10 Personen um einen Tisch, auf dem Kerzen, Blumen und Schalen mit Rosenöl bereit stehen. Wir salben jeweils in einem Team von drei Personen: Eine legt der Person, die gesalbt wird, die Hände unterstützend auf den Rücken, einer hält das Öl und eine nimmt die Salbung vor, an der Stirn und an den beiden Handinnenflächen. Dies geschieht mit den Worten: Es salbt dich Gott, der/die dich geschaffen hat, so wie du bist (Stirn); Es salbt dich Gott, der/die dir in Christus ganz nahe kommt und dich unendlich liebt (rechte Handinnenfläche); Es salbt dich Gott, die heilige Geistkraft, die dich berührt und stärkt und aufrichtet (linke Handinnenfläche).

Die Erfahrung zeigt, dass fast alle Anwesenden sich segnen und salben lassen und häufig tief angerührt sind von dem, was sie erfahren.

Seit letztem Jahr bieten wir im Anschluss an den Salbungsgottesdienst noch ein persönliches Handauflegen an. Eine Gruppe von ungefähr 10 Personen, mit denen ich das Handauflegen im Sinne eines eigenen spirituellen Weges seit Jahren übe, hält dieses Angebot vor. Das Handauflegen geschieht im Sitzen in der Stille und dauert etwa 20 Minuten. Es geschieht im Vertrauen darauf, dass Gottes Kraft fließt und immer ordnend und heilend wirkt."

Neu ist eine „Vesper um Vier – Musik und Worte“: Immer samstags um 16.00 Uhr laden Essener Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker gemeinsam mit Theologinnen und Theologen aus Gemeinden und Diensten zu einer Atempause mit Musik und Worten ein.

Es finden Konzerte, Ausstellungen und Vorträge zu theologischen, gesellschaftlichen und politischen Themen statt, z. B. mit Bischof Huber, Bundestagspräsident Dr. Lammert, Prof. Jörns, Prof. Kroeger, aber auch zu Themen der Mystik auf Einladung von Manfred Rompf, z. B.: Dr. Yuval Lapide zum Thema Jüdische Mystik, Wilhelm Sabri Hoffmann, Vorsitzender der Christlich-Islamischen Gesellschaft zum Thema Die Mystik als „Herz“ des Islam, Dr. Irmgard Kampmann zum Thema Christliche Mystik am Beispiel von Marguerite Porete - Ein Weg ins Land der Freiheit, Prof. Dr. Gerhard Marcel Martin zum Thema Mystik im Buddhismus mit einem Blick in westliche Traditionen, Professorin Dr. Annette Wilke zum Thema Mystik im Hinduismus mit einem Blick in westliche Traditionen und Gertrud Kieserg zum Thema Mystik im Christentum – Mechthild von Magdeburg „Du bist ein Klang meiner Worte“.

Vieles hat Platz in dieser wunderschönen Kirche. Die alten Gemäuer zusammen mit dem modernen blau-gläsern leuchtenden Westchor laden ein zum Verweilen und zum Gespräch, zum Schauen und Hören, zum Sich-weiten und Öffnen, zum Still-werden und Schweigen.

Karin Gerhard, geboren 1942, Bewegungspädagogin, Qigong-Lehrerin, Lehrerin für meditativen/sakralen Tanz. Langjährige Leiterin des Dore-Jacobs-Berufskollegs zur Ausbildung von BewegungspädagogInnen in Essen. Fortbildungen in bioenergetischer Analyse, psychotherapeutischen Verfahren, Eutonie, Feldenkrais, Atemarbeit, Tanzpädagogik und -therapie, langjährige Gasthörerin in Theologie und Philosophie. Mitglied des Würzburger Forum WFdK, Kontemplationslehrerin der „Wolke des Nichtwissens“ – Kontemplationslinie Willigis Jäger. Gruppenleitung in Körperarbeit, Kontemplation und meditativ/sakralem Tanz in Essen. 45136 Essen, Allerstraße 11, E-Mail: E-Mail

 

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