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Segovia, Konvent der Barfüßigen Karmeliter und Kontemplation im heutigen Spanien
Autorin: Ángela Peña
Die Stadt Segovia
An einem kalten Februarmorgen fahren wir fünf Frauen mit dem Auto von Madrid in Richtung Nordwesten, quer durch die bergige, verschneite Landschaft. Nach einer Stunde haben wir Segovia erreicht, eine typisch kastilische Stadt – kalt und sonnig. Wir passieren das prächtige römische Aquädukt, das zusammen mit der traumhaften, Alcázar genannten, maurischen Festung und dem riesigen gotischen Dom aus dem 16. Jahrhundert von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt wurde. Aber Segovia wurde auch durch die beiden Mystiker Johannes von Kreuz und Teresa von Avila und durch etwas viel Profaneres, nämlich das gegrillte Spanferkel, berühmt.
Was führt mich hierher? Die Liebe zu einem Mann führte mich nach Deutschland, die innere Suche zu Willigis, dieser führte mich zur Kontemplation und die Kontemplation führt mich heute mit anderen Augen und Sinnen noch einmal nach Segovia.
Der Konvent der Barfüßigen Karmeliter
Unser Reiseziel ist aber nicht die Stadt, die sehr wohl einen Besuch wert ist, sondern der Konvent der Barfüßigen Karmeliter, inmitten einer frischen grünen Landschaft mit einem großartigen Blick auf das Panorama der Stadt und die dahinter aufragenden Berge.
Die Erinnerung an die beiden Mystiker, die 1574 hier zusammentrafen, um den Karmeliterorden zu reformieren, begleitet mich, als ich die steinernen Stufen hinaufgehe, die wie ein "Aufstieg zum Karmelberg" zu dem von Johannes vom Kreuz 1586 gegründeten und von 1587 bis 1591 geleiteten Kloster führen. Dieses wurde damals auf den Grundmauern einer älteren Trinitarier-Abtei aus dem Jahr 1206 errichtet.
Der Komplex besteht aus einem Hauptbau mit Kreuzgang und Krypta, einer Kirche und einer Kapelle, wo sich der Sarg des Mystikers befindet – eine Grabstätte, die im Verhältnis zum schlichten Leben, das Johannes führte, viel zu prunkvoll erscheint. Juan de la Cruz liebte den Fußpfad, den aus dem Fels gehauenen Weg bis hinauf zu den Peñas Grajeras – Krähenfelsen –, wo sein spirituelles Refugium lag. Heute ist hier ein Garten mit einer kleinen Kapelle, die Teresa von Avila gewidmet ist. Auch kann man den Stamm einer von Johannes gepflanzten und inzwischen vertrockneten Zypresse besichtigen.
Durch all das spüre ich den Geist des wohl bekanntesten spanischen Mystikers an diesem Ort, und seine Gedichte sind mir bei jedem Schritt präsent. Ich kannte seine Dichtung bereits, bevor ich die Kontemplation einzuüben begann – von Amancio Prada vertont, ist sie mir sehr vertraut. Heute, an diesem Ort, ertönen die Verse wieder in meinem ganzen Körper und darüber hinaus: mein Geliebter, die Berge …
Das Haus der Spiritualität, Johannes vom Kreuz
Das lange von Novizinnen bewohnte Haus ist heute ein spirituelles Zentrum, in dem sechs Karmeliter leben. Anliegen des Hauses ist es, die Worte und die Erfahrung von Johannes vom Kreuz und Teresa von Avila weiterzugeben, ein Ort der Ruhe und des Friedens zu sein, ein Ort der Begegnung mit sich, mit anderen, mit Gott.
Padre Domingo leitet das Haus, und auf meine Frage, welche Bedeutung die Kontemplation heute in diesem Haus habe, lächelt er, dann sagt er, dass der Ort für jeden offen ist, der kommen will, um in die Stille zu gehen, dass es ihm gleichgültig sei, ob man dies durch Yoga oder Tai-Chi tue. Das Einzige, was sein könne, wäre, "dass die von oben Einwände erheben".
Und auch ich erlebe den Platz als ein offenes Haus, das außerdem gut belegt ist. Vor allem die Wochenenden sind lange im Voraus ausgebucht. Als ich diesmal dort bin, wird mit über 70 Teilnehmern ein Kurs zum Thema "Praktizierte Gottespräsenz" nach Paramahansa Yogananda gehalten.
Auch Willigis kommt seit über zwanzig Jahren hierher, um Kontemplationskurse zu halten.
Der Kontemplationstag
Im hinteren Teil des Hauses, wo es zum Garten hinauf geht, liegt ein Raum, Tebaida genannt, in dem sich an einem Samstag im Monat eine Gruppe zur Sitzmeditation in der Stille trifft. Es ist eine offene Gruppe, heute sind wir zu zwölft. Juan Tomás sitzt an der Glocke, er stellt den Küchenwecker auf 25 Minuten und schlägt den Gong. Am Vormittag gibt es Belehrungen zu Zen oder Kontemplation. Darüber hinaus wird vormittags und nachmittags je eine halbe Stunde das kontemplative Gehen im Freien geübt.
Jeder sucht sich einen Platz für seinen Stuhl, das Bänkchen oder Kissen, um es sich auf dem alten Backsteinfußboden bequem zu machen. In einer Ecke steht ein elektrischer Heizstrahler, der für den ganzen Raum reichen muss, und in der dicken Mauer öffnet sich nur ein kleines Fenster, so dass mich Kälte und Dunkelheit in die alten Zeiten zurückversetzen, obwohl ich gleichzeitig jeden Augenblick als neu erlebe.
Heute sitzt kein Lehrer an der Stirnseite, es gibt keine Rituale, nur das Sitzen in der Stille. Jeder ist auf sich selbst gestellt. Ein Gefühl von Freiheit und weitem Raum macht sich in mir breit, hier, wo alles von der Stille geleitet und eingehüllt ist.
Eine freundliche Nonne serviert uns um 14.00 Uhr ein dreigängiges Menü, dann Kaffee und Gebäck. Zusammen mit zwei anderen macht sie die Küchenarbeit. Wir, meine vier Begleiterinnen und ich, essen in dem kleineren Speiseraum, die anderen Kontemplationsteilnehmer wohnen in der Nähe und sind zum Mittagessen nach Hause gefahren. Nach einer kurzen Siesta auf einem Sofa im Kreuzgang gehe ich ein paar Schritte am Fluss entlang. Diesen Winter hat es viel geregnet und geschneit und das Flüsschen hat Kraft.
Als ich im Kloster zurück bin, führt uns das kontemplative Gehen den wunderschönen Weg zum Fels hinauf, unsere Füße folgen denen des Johannes, wenn er zu seiner kleinen Höhle ging. Wieder spüre ich Zeitlosigkeit, damals und heute sind eins.
Kontemplation in Spanien heute
Heute gibt es in Spanien ein großes Bedürfnis nach Stille, obwohl oder besser, weil unser spanischer Alltag sehr laut ist; auch nach innerer Stille, weshalb eine Menge Gruppen entstehen, in denen genau diese Stille gesucht wird. Jede mag ihre eigene Prägung haben, aber ihre Gemeinsamkeit ist, dass sie an der inneren Ruhe, Zentrierung und Erweiterung des Bewusstseins orientiert sind.
Diesen Weg betreten die meisten Menschen – auch in Spanien – über östliche Praktiken, von denen es ein großes Angebot gibt, während die christliche Mystik entweder nicht bekannt ist oder als "höhere" Schule gilt und daher nicht zum Einstieg einlädt oder aber als christlicher Weg aufgrund von negativen Erfahrungen gemieden wird. Wir Spanier über fünfzig haben in der Regel eine sehr strenge katholische Erziehung genossen und bevorzugen daher das Zen.
Aber es gibt eine wachsende Zahl von Gläubigen, die eine persönliche Spiritualität des Mysteriums suchen, jenseits der gesellschaftlich vermittelten Frömmigkeit.
Ein gutes Beispiel für diese verschiedenen Richtungen sind die Schüler von Willigis, die über das ganze spanische Territorium verstreut sind, seine Kurse in Spanien besuchen – Zen, Kontemplation oder beides. Anschließend machen sie mit dem weiter, was in ihrer Gegend angeboten wird. Meistens sind das kleine Sitzgruppen, aber es gibt durchaus auch große Begegnungsstätten, wie das Zentrum Meister Eckhart in Las Palmas von Gran Canaria, das von dem WFdK-Lehrer Celso Navarro geleitet wird. Nicht nur Willigis Jäger, auch Gisela Zuñiga und Anne Höfler, bieten Kontemplationskurse bzw. Kurse im Handauflegen in Spanien an. Anne Höfler begleite ich als Assistenz dabei.
Auch die Lehren von Fray José Fernández Moratiel, der vor etwa zwei Jahre starb und die Schule der Stille gründete, gehen in diese Richtung. Sein Ziel war die innere Leere. Um die Menschen darin anzuleiten, benutzte er orientalische Techniken, christliche Texte und die rheinische Mystik aus dem 14. Jahrhundert. Seine Schüler treffen sich bis heute in Kleingruppen, um in die Stille zu gehen und seine Texte zu lesen.
Die Stille wird aber nicht nur in Gruppen geübt, häufig entscheiden sich Menschen auch zu einem Aufenthalt in einer Einsiedelei. Davon gibt es viele in Spanien. Mit dem WFdK verbunden ist der Monte de Silencio zwischen Murcia y Almería, der auch von vielen Deutschen genutzt wird.
Zur spanischen Spiritualität gehören nicht nur das Sitzen, sondern auch die Gehmeditation auf den Pilgerwegen und in der Natur, die an eine alte Tradition anknüpfen und sich einer wachsenden Beliebtheit erfreuen.
Abschied von diesem Ort und Rückkehr in den Alltag
Immer noch im Schweigen verlassen wir den Ort. Wir steigen ins Auto. Es kostet mich Mühe, die Stille zu brechen. Mit leiser Stimme gelingt es mir, das Nötigste zu sagen, damit wir unsere Rückreise antreten können. Im Zentrum von Segovia fühlte ich mich den ganzen Tag "zu Hause", angenommen von einem ewigen Ort. Trotz der winterlichen Kälte hüllen uns eine weiche Stimmung und Wärme ein. Die Sonne geht allmählich unter, der Motor springt an, das Auto fährt los und trägt uns fort von der Wirkungsstätte des Juan de la Cruz. Ein weiteres Mal nehmen wir Abschied und gehen hinaus in den Alltag, erfüllt von seinem "Nada", der verwandelnden Stille.
Für Buchungen oder Auskünfte können sich Interessierte so an das Haus wenden: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!., Telefon 0034 921431961.
Ángela Peña, geboren 1955 in Spanien, verheiratet, ein Sohn. Lebt zur Zeit in 71254 Ditzingen, Schönblickstraße 27 und Madrid. Tätigkeiten und Ausbildungen: Übersetzungsarbeiten, Heilpraktikerin für Klassische Homöopathie, Hospizarbeit, Handauflegen, Transpersonale Psychologie, Kontemplation seit 1999.
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