Würzburger Forum der Kontemplation e. V. (WFdK)

Fortbildung - Werkstattberichte

 

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Die dunkle Seite der Seele -
Begleitung und Integration der Persönlichkeit

Fortbildungskurs der WSdK: 07.09. - 11.09.2009, Benediktushof Holzkirchen, Kursleitung: Richard Stiegler

Ein Werkstattbericht

Autorin: Wiebke Zint

Vom 7. bis 11. September 2009 fand unter der Leitung von Richard Stiegler und der Assistenz von Elisabeth Müller der erste Teil einer zweiteiligen WSdK-Fortbildung zum Thema Transpersonale Prozessarbeit in der spirituellen Begleitung statt. Zu diesem Seminar fand sich eine Gruppe von 28 TeilnehmerInnen ein, was das große Interesse an transpersonaler Prozessarbeit innerhalb der WSdK widerspiegelt.

Auch mich hat das Fortbildungsthema sofort angesprochen, obwohl mir der Begriff der "dunklen Seite der Seele" zunächst fremd war und nicht mit meinem Seelenbild übereinstimmte. Kann es in der Seele des Menschen überhaupt eine dunkle Seite geben?, fragte ich mich, und: Welches Seelenbild liegt einer solchen Aussage zugrunde?

Der Einstieg

So saß ich also am 7. September gut vorbereitet auf das Thema und mit offenem Herzen in einer Gruppe, deren Teilnehmer mir, wie ich glaubte, zum größten Teil seit vielen Jahren mehr oder weniger bekannt waren.

Das Seminar begann mit einer Vorstellungsrunde, in der alle TeilnehmerInnen ihre Erwartungen an die Fortbildung zum Ausdruck bringen konnten. Eine anschließende Partnerübung führte uns in die Erfahrung, wie sehr der menschliche Geist dazu tendiert, nicht im gegenwärtigen Moment zu verweilen, sondern die Dinge aus einer Vergangenheitsperspektive zu sehen.

Mit viel Geschick, Klarheit und einer schier unendlich scheinenden Güte kreierte Richard, trotz der Gruppengröße, von Beginn der Fortbildung an einen Raum, in dem es allen möglich wurde, sich mit den im Dunkel der Seele liegenden Selbstbildern, aber auch mit deren lichten Potenzialen zu verbinden und damit zu arbeiten.

Der Prozess

Mit einer Feinfühligkeit, die nur aus einer tiefen eigenen Erfahrung und der jahrelangen Auseinandersetzung mit der Thematik erwachsen kann, führte er die TeilnehmerInnen durch zahlreiche Facetten der menschlichen Persönlichkeit. Anhand seines Dreischichten-Persönlichkeitsmodells zeigte er auf, was das Wesen in seiner natürlichen Lebendigkeit ist, wie sich die Persönlichkeit des Menschen entwickelt, wie das Gefühl von Mangel entsteht und wie wir dieses Mangelgefühl durch Kompensation auszugleichen suchen. Besonderes Augenmerk legte Richard dabei auf die Gefahren der Kompensation durch die spirituelle Praxis.

Sehr kompetent und klar zeigte Richard uns auf, wie wichtig es als BegleiterIn ist, ein klares Verständnis von der Psyche in ihrer Vielschichtigkeit zu haben, und sich mit den schwierigen Situationen und Prozessen auseinanderzusetzen, die ein spirituell suchender Mensch auf seinem Weg durchschreiten muss. Gerade auf dem inneren Weg mit all seinen Höhen und Tiefen brauchen Menschen BegleiterInnen, die sich mit ihren eigenen seelischen Prozessen und psycho-mentalen Hindernissen auseinandergesetzt haben und immer wieder aufs Neue auseinandersetzen.

Erst wenn wir beginnen, unsere eigenen Urteile nicht mehr als "Wahrheit" zu betrachten, sondern sie als Konzepte erkennen, die sich in unserer Vergangenheit gebildet haben, entstehen wieder Raum und Offenheit für das, was wirklich ist. Dieses nichtwertende Dasein erleben wir am leichtesten in der Begegnung mit dem Wesen des Augenblicks, das in seiner eindringlichen Präsenz kein Konzept von Gut und Böse, Richtig und Falsch kennt. Im Augenblick gibt es keine Polarisierung, keine Abspaltung. Hier können wir eine grundlegende Eigenschaft unseres Wesens, die Essenz unserer Seele, erfahren, den grenzenlosen, offenen Raum, der nichts auszugrenzen braucht.

Die Entdeckung

Im Wechselspiel von Vorträgen, praktischen Partnerübungen, der Vermittlung von Weisheitsgeschichten und vertiefenden Zitaten und dem intensiven Austausch innerhalb der Gruppe erzeugten Richard Stiegler und seine Assistentin Elisabeth Müller ein Feld der respektvollen und wertschätzenden Gemeinschaft, in der Begegnung aus einem weiten Herzen und einem klaren, offenen Geist möglich wurde.

Zu meinem Erstaunen entdeckte ich während der vielen Begegnungen nicht nur an den anderen Gruppenmitgliedern, sondern auch an mir eine vorher nicht wahrnehmbare Lebendigkeit und Offenheit, die mich zutiefst berührte. Mir persönlich hat der intensive und liebevolle Austausch mit den TeilnehmerInnen dieser Fortbildung mehr Nähe zur Gemeinschaft der WSdK vermittelt, als ich sie innerhalb der letzten zehn Jahre gespürt habe. Für diese Erfahrung bin ich allen Beteiligten unendlich dankbar.

Schlusswort

Ich möchte meinen Bericht mit einem Vers von Rumi beenden, der mir während der Fortbildung in den Sinn kam. Dieser Vers bestätigt meinen Eindruck, dass die Einbeziehung der Transpersonalen Prozessarbeit in die spirituelle Wegbegleitung eine große Bereicherung darstellt. Die Prozessarbeit gibt uns ein Instrument an die Hand, um das, was in unserer Seele unbewusst ruht, ins Bewusstsein zurückzuholen und in unser Leben zu integrieren.

"Wenn du eine Perle wünschst,
such sie nicht in einer Wasserlache.
Wer Perlen finden will,
muss bis zum Grund des Meeres tauchen."
(Mevlana Rumi)

 Danke an alle TeilnehmerInnen für ihr einfaches, offenes, wertschätzendes und liebendes Da- und Zusammensein.

Danke an Richard Stiegler, der mit seinem wachen Dasein, seiner stillen, freundlichen Grundhaltung und seiner Kompetenz diese WSdK Fortbildung zu einer wahren Begegnung für uns gemacht hat.

Wiebke Zint,
Jahrgang 1949, verheiratet, drei erwachsene Kinder, Lehrerin des Würzburger Forums der Kontemplation e. V., Yogakehrerin BDY/EYU, international anerkannter Khyf-Yoga-Teacher, geschult und begleitet durch Helga Simon-Wagenbach und Willigis Jäger.

 

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