Würzburger Forum der Kontemplation e. V. (WFdK)

Lehrerinnen und Lehrer im WFdK

 

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portraitiert von

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Gisela und Candido Zuniga: "Ein Glanz von stiller Freude liegt über allem."

Vorstellung eines langjährigen Lehrerehepares

Autorin: Elisabeth Müller

Im letzten Heft haben wir Gisela Zunigas Buch "Alles ist da – Mystik im Alltag" vorgestellt. Mit ihrem spanischen Ehemann Candido gehört sie zur ersten Lehrergeneration der Würzburger Schule und hält regelmäßig Kurse auf dem Sonnenhof. Dieses Porträt entstand bei verschiedenen Begegnungen auf der Basis unserer freundschaftlichen Verbundenheit.
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Sie sitzt auf einer geschnitzten Holztruhe und lässt die Beine baumeln. Es ist schon spät. Mein vierzehnjähriger Sohn erklärt Gisela bei unserem Blitzbesuch in Freiburg ihr neues iPhone. Sie ist ein Technikfan. Aber nicht nur das. Seit 21 Jahren ist sie Kontemplationslehrerin, nachdem sie zunächst an einem Mädchengymnasium unterrichtet, dann viele Jahre im Betrieb ihres Mannes mitgearbeitet und nebenher im eigenen Atelier Batikkunst gemacht hat. Die Kontemplation ist jedoch Lebenskern und inzwischen einziges Betätigungsfeld für Gisela Zuniga, die sich einen Kurs ohne Candidos einfühlende Unterstützung im Saal, wo er genau spürt, wie es den Teilnehmern geht, gar nicht vorstellen kann.

Mehr als ein halbes Jahrhundert – seit sie sich als Studenten in Freiburg kennen lernten – sind Gisela und Candido Zuniga gemeinsam unterwegs – nach innen und außen. "Wir fühlten uns von Anfang an von Fragen angesprochen, die über unseren Beruf und den Ehealltag hinausgehen. Das Spirituelle, die Frage nach dem Sinn, das  'Durchscheinen des Eigentlichen‘ zu entdecken – diese Dimension war schon immer unsere tragende Basis und das, was uns beide am meisten interessierte."

Die in den Krieg hineingeborene Gisela wuchs als Einzelkind in der friedlichen Geborgenheit ihres Elternhauses in Nordrhein-Westfalen auf. "Bei mir zeigte sich die Berufung zur Meditation schon in früher Kindheit. Ich war vielleicht fünf Jahre alt, als ich mich oft zurückzog ins wortlose Gebet der Stille. Ich bin sicher, dass mir das niemand beigebracht hat. Ich passte gut auf, dass mich meine Eltern nicht dabei erwischten. Es war für mich etwas sehr Intimes und das wäre mir peinlich gewesen. Meine mystische Erfahrung bei der Erstkommunion – ein tiefes Durchflutetwerden von göttlicher Liebe – war für mich so was wie ein Schlüsselerlebnis. "

Der im selben Jahr geborene Candido verlebte seinen ersten Lebensabschnitt als ältestes von acht Kindern in dem vom Bürgerkrieg geschüttelten Spanien. Die praktizierte Religion ordnete als positive Kraft Familienalltag und Jahreslauf. Auf dieser Grundlage reifte in Candido die Sehnsucht nach der Erfahrung von Gott und Stille. So war er es auch, der das Ehepaar zum ersten Meditationskurs in Beuron anmeldete. "Wir waren damals beide gerade 44 Jahre alt geworden, hatten aber keine wirkliche Ahnung, was Meditation bedeutete. Der Kurs war für uns die Offenbarung! Ein neues Leben begann. Seitdem praktizieren wir intensiv und sehr bewusst die Kontemplation. Der Weg, der sich uns nach dem Beuronkurs auftat, bedeutete eine unsagbare Bereicherung für uns. Kurz darauf lernten wir unseren Lehrer Willigis Jäger kennen und haben jahrelang sehr viele Kurse bei ihm besucht. Das bewusste kontemplative Leben wurde unser tragender Grund und hat mit dazu beigetragen, dass unsere 51-Jährige Ehe glücklich ist und wir in einer tiefen Freiheit leben dürfen."

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Während Gisela mir aus ihrem Leben erzählt, fällt mein Blick auf ein wandfüllendes Foto an der Stirnseite ihres sympathisch unkonventionellen Wohnzimmers, wo es viele exotische Mitbringsel von ihren Reisen zu entdecken gibt. Es ist das Abendmahl, in Bronze gegossen, mit fast lebensgroßen Figuren, und mir drängt sich die Frage auf, ob sie je um einer überkonfessionellen Spiritualität willen von ihren religiösen Wurzeln abgekommen sind. Aber an diesem Punkt sind Zunigas eindeutig. "Wir sind Christen, die durch den Weg, den wir schon so lange gehen, ganz weit und offen geworden sind, auch für andere Religionen, z. B. den Hinduismus.

Mehrfach waren wir in Indien. Ich kann nicht beschreiben, wie sehr mich die Bhagavad Gita getroffen hat. Sie spricht meine Sprache, spricht meine eigenen Erfahrungen aus. Seit mehreren Wochen haben wir eine Freundschaft mit einem saudi-arabischen Moslem. Es ist die Begegnung in der Tiefe, die uns verbindet. Er lebt aus dem gleichen Geist wie wir. Es ist die gleiche Kraft des Grundes, die unser und sein Leben bestimmt. Er hat uns erzählt, dass er nach seinen Ritualen, Waschungen und Niederwerfungen in die Stille seines Herzens geht, alles loslässt, leer wird und bei Gott im Schweigen steht. Das macht er fünfmal am Tag. Dem Zen-Buddhismus fühlen wir uns durch die Zen-Meditation auch nahe."

Candido geht sogar noch einen Schritt weiter. Weil er von klein an eine tiefe spirituelle Sehnsucht verspürte und die Religiosität seiner mütterlichen Vorfahren für seine Jugend prägend war, bedauert er, dass viele Suchende heute eine gestörte Beziehung zu ihrer angestammten Religion haben. Er würde sich wünschen, dass es diesen Bruch nicht gäbe. So schwankten Zunigas nie zwischen Kontemplation und Zen. Sie blieben in unserer abendländischen Kultur, so dass in ihren Kursen auch der mystische Kern des Christentums zum Vorschein kommt. Weil dieser religiöse Boden bei Gisela spürbar ist, fühlen sich viele Menschen von ihren Angeboten angesprochen.

An diesem Porträt hat mich vor allem die Frage gereizt, wie der kontemplative Weg – und das Weitergeben von Kontemplation – in einer Ehe gelingen kann. Zu Besuch in Giselas und Candidos schöner, alter Villa in einem der nobleren Freiburger Stadtteile erlebe ich ihre Unterschiede, sehe, wie in ihrem Zweierteam jeder die Rolle hat, die für ihn am besten passt, und wie sie sich reibungslos aufeinander beziehen. "Von Anfang an waren wir eine Einheit, mit sehr ähnlichen Interessen, gleichen Ansichten und Wertschätzungen. Man könnte meinen, das sei vielleicht langweilig. Aber nein, unsere Ehe ist bis zum heutigen Tag interessant und lebendig." Das klingt wie ein Geschenk, als hätte da nichts mühsam erarbeitet und errungen werden müssen, doch wird mir bei näherem Hinschauen klar, dass Gisela und Candido diese – gegebene – Eintracht nicht etwa hinterfragt und zerlegt haben, vielmehr haben sie ihr von Anfang an zugestimmt und sie einfach gelebt, sonst wären nicht so reiche Früchte daraus geworden.

Dazu gehört, dass sie vor allem für andere Menschen da sind. An diesem Wochenende, an dem ich unter dem Eindruck der Beerdigung einer nahen Angehörigen mit meiner Familie bei Gisela und Candido einfalle, werden wir sehr liebevoll aufgenommen. Candido lässt es sich nicht nehmen, uns noch zu später Stunde etwas zu kochen, schon bald tauschen sich die Männer intensiv über den Jakobsweg aus, der durch Candidos Heimatstadt Pamplona führt.

Weil ich es wissen möchte, erzählt er, dass er nach dem Studium Jahrzehnte lang als selbständiger Dipl. Ing. für Baustatik, mit Büro im eigenen Haus, tätig war. "Er war immer ausgebucht, weil er so korrekt ist und so fleißig", ergänzt seine Frau, und mir kommt es so vor, als sei auch ein gutes Stück Selbstlosigkeit dabei gewesen, denn bis kurz vor Mitternacht verliert er weder unser leibliches Wohl aus dem Auge, noch zeigt er – genauso wenig Gisela – irgendwelche Anzeichen von Müdigkeit. "Einen großen Teil unserer Zeit geben wir denen, die uns brauchen. Aber wir fühlen beide, dass hier unsere Berufung liegt, und deshalb belastet uns das nicht, sondern ganz im Gegenteil, es macht uns glücklich, besonders die jahrzehntelange Tradition in unserem Haus, immer wieder viele Freunde und Bekannte einzuladen, um mit ihnen gemeinsam zu musizieren, zu singen und zu feiern. Wir haben nicht das Gefühl, dass uns was abgeht, weil wir unsere kostbare Zeit nicht für uns selbst nutzen. Umso intensiver erleben und genießen wir dann die Momente, Tage und Wochen, in denen wir einmal ganz ohne die Menschen sind, nur wir zwei ganz allein."

Die Kommunikation – auch zwischen den Generationen – gelingt an diesem Abend so mühelos, dass ich gleich mitgehen kann, als Gisela mir später über ihre Ehe schreibt: "Ich glaube, Candido und ich sind sehr echt, einfach und offen. Mit kindlicher Freude entdecken wir überall, auch im Kleinen und Unscheinbaren, das Schöne und Helle, das uns froh macht. Ein Glanz von stiller Freude liegt über allem, wenn man die Augen dafür hat. Heiterkeit und Freude am Leben, das ist uns, glaube ich, in die Wiege gelegt, oder ist es durch den Weg nach innen immer mehr gewachsen? Oder wird es erst durch unsere Gemeinschaft so hell und schön? Obwohl wir nun schon im 77. Lebensjahr sind, haben wir unsere kindliche Spontaneität, die sich einfach am Augenblick freut, begeistern und anrühren lässt, nie verloren."

Es ist diese Haltung, die es uns ganz einfach macht, den nächsten Besuch in Freiburg zu planen, für die Osterferien, damit mein Sohn Gisela ausführlich in die Möglichkeiten ihres elektronischen Telefons einführt. Sehr viel schwieriger erweist es sich dagegen, in Giselas vollem Terminkalender dafür eine Lücke zu finden – zwischen einem Kurs in Bilbao und einem im Schwarzwald. Denn sie macht regelmäßig Angebote in St. Trudpert im Münstertal, im Haus Maria Lindenberg in St. Peter und in Amorebietta bei Bilbao, seit sie nach Willigis Jägers Beauftragung im Jahr 1989 auf dem Sonnenhof mit ihrer Kurstätigkeit begann. Und seit Gisela im letzten Jahr, auf mehrfache Bitten des Verlegers, im Herder-Verlag ein Buch mit dem Titel "Alles ist da – Mystik im Alltag" herausbrachte, wird es zeitlich sogar noch enger. Denn mit dem, was sie schreibt, erreicht sie viele Menschen, so dass nun Anfragen für Vorträge und Kurse auch in Stuttgart und Hamburg und anderswo kommen. Trotzdem, und das ist für mich das Besondere, haben Zunigas immer Zeit auch für längere Telefonate und führen ein offenes Haus, "und die Leute kommen!" Wer einmal bei ihnen war, glaubt das herzlich gerne.
 

Über diese allerletzte Erfahrung kann ich nichts aussagen.
Sie ist bilderlos, aber beinhaltet das Ganze.
Und sie ist evident. Da ist nichts mehr zu beweisen.
Was hat sich denn äußerlich verändert? Nichts.
Alles ist so wie vorher.
Und doch ist alles transparent auf den Hintergrund hin,
auf das, was ist.
Wer ein persönliches Gottesbild hat, muss es transzendieren,
und wer ein apersonales Gottesbild hat, ebenfalls.
Denn Gott, der Unfassbare,
ist immer noch viel mehr!

(Gisela Zuniga)
 

Elisabeth Müller,
aufgewachsen als Pfarrerstochter in Mexiko-City. Lebt mit Mann und Sohn in der Nähe von Frankfurt; ein weiterer Sohn ist epilepsiekrank. Literaturübersetzerin und Lektorin für Spanisch und Französisch und Schülerin von Willigis Jäger. Kontemplationslehrerin des WFdK, Ausbildung in transpersonaler Prozessarbeit "Schritte ins Sein" bei Richard Stiegler. Gibt Kontemplationskurse und begleitet Einzelne auf dem inneren Weg.
E-Mail: E-Mail,  Internet: Link

 

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