Würzburger Forum der Kontemplation e. V. (WFdK)

Lehrerinnen und Lehrer im WFdK

 

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Anne Höfler: "Wenn sie sein soll, findet Heilung ihren Weg, unabhängig von der Therapieform"

Vorstellung einer langjährigen Lehrerin

Autorin: Elisabeth Müller

Anne Höfler hat seit vielen Jahren mit gut besuchten Kursen im Handauflegen einen festen Platz im Programm des Benediktushofs. Die Kontemplationslehrerin ging mehrere Jahre bei Menschen aus den verschiedensten Traditionen des Heilens in die Lehre und erzählt uns von ihrem Werdegang sowie von dem, was Heilen und Kontemplation gemeinsam haben. Elisabeth Müller unterhielt sich mit ihr.
(EMü)

KuM: Du bezeichnest dich selbst nicht gern als Heilerin, weil du findest, dass die Berufsbezeichnung in Deutschland eher negativ belegt ist, aber du praktizierst seit mehr als 30 Jahren das Handauflegen, hast unzählige Patienten behandelt und bietest neben deinen zahlreichen Kursen auch seit etlichen Jahren Ausbildungen in dieser Form des 'spirituellen Heilens' an. Es wäre spannend zu erfahren, wie du zu diesem ungewöhnlichen Beruf gekommen bist und wie er im Vergleich zu England hierzulande gesehen wird?

A.H.: In England ist ein healer etwas ganz Normales. Weil das beim deutschen 'Heilerin' nicht so ist, bin ich damit vorsichtig und bezeichne mich selbst nicht als solche. Ich kam dazu, als unsere einjährige Tochter schwer an Neurodermitis erkrankte. Ihr ganzer Körper war eine offene Wunde. Auf sämtliche Lebensmittel reagierte sie allergisch. Nachdem wir so ziemlich alles ausprobiert hatten und nichts half, fiel mir ein Buch über Heilung und Glauben in die Hände, und ich wusste sofort: Das ist es! Ich sprach das Vaterunser und legte ihr die Hände auf dem Bauch. Am zweiten Abend wiederholte ich es, und sie schlief das erste Mal seit Wochen durch. Für mich war das ein Wunder, denn sie hatte seit Monaten nicht geschlafen, sondern sich Nacht für Nacht blutig gekratzt. Ich setzte die Behandlung fort, bis sie nach weiteren neun Monaten einigermaßen symptomfrei war. Inzwischen ist sie 28 Jahre alt, isst und trinkt, was sie will, und die Veranlagung ist seit vielen Jahren für sie kein Thema mehr. Diese Erfahrung gab den Anstoß, mich auf die Suche nach Menschen zu machen, die mir in dieser Richtung etwas beibringen konnten. Damals waren das nicht viele, denn das Heilen war lang nicht so populär wie heute. Ich schaute mir alles an, was mir aus den verschiedenen Traditionen begegnete, und fand mit der Zeit heraus, was für mich stimmte. Ich hatte das Glück, für englische Heiler in Österreich übersetzen zu dürfen, und habe dabei sehr viel gelernt.

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Das meiste hat mir aber Frau Weih aus Aulendorf beigebracht, eine sehr einfache, damals schon ältere Frau,  durch die unzählige Krankheiten geheilt wurden. Viele Jahre lang war ich Mitglied im englischen National Federation of Spiritual Healers, dem größten englischen Geistheilerverband. Dort unterstützte mich Tom Johannson, ein renommierter englischer Heiler, der auch viele Vorträge und Seminare in Deutschland gehalten hat. Die Ausbildung in England ist meiner Ansicht nach sehr sinnvoll. Das Heilen wird als Kunst aufgefasst, in der ein anerkannter Heiler seine Schüler ausbildet. Zusätzlich besucht man theoretische Seminare, aber der Hauptteil der Ausbildung besteht aus der Praxis. Nach etwa zwei Jahren muss der Auszubildende einer Kommission Briefe vorlegen, in denen Klienten von ihren Heilungen berichten, die ausschließlich dem Handauflegen zuzuschreiben sind. Nach Möglichkeit werden diese durch medizinische Berichte ergänzt. Anschließend steht der Aufnahme im Verband nichts mehr im Weg, der dem healer sogar eine ganz normale Berufshaftpflichtversicherung bietet.

KuM: Die Tochter war dein drittes Kind, eine Nachzüglerin, und das durch sie motivierte Handauflegen eine Zweitausbildung. Wie war dein Werdegang davor, hat sich das Interesse an geistigen Themen schon früher angekündigt?

A.H.: Ich habe wirklich erst mit der Schwangerschaft unserer Tochter begonnen, mich mit Spiritualität auseinanderzusetzen. Auf keinen Fall wollte ich sie einfach taufen lassen, weil es eben dazugehört. Damals lernte ich durch einen glücklichen Umstand Fräulein Hemleben kennen, eine anthroposophische Priesterin, die schon an die 80 war. Einen ganzen Sommer lang durfte ich sie einmal wöchentlich besuchen und ihr all die Fragen über Gott und die Welt stellen, die mir auf dem Herzen lagen. Das war der Anfang meines bewussten Weges. Aber ich bin schon als Kind sehr gerne in die Kirche gegangen. Mein Großvater war Organist, daher spielten Kirche und Kirchenmusik eine große Rolle in meiner Kindheit. Auch die Stille liebe ich, solange ich zurückdenken kann. Wir haben als Familie oft Picknicks gemacht, und ich kann mich noch gut daran erinnern, schon als Kind einsame Plätze aufgesucht zu haben, wo ich dann ganz still am Meer oder im Wald saß, bis meine besorgten Eltern mich suchen kamen.

KuM: Das klingt so, als hättest du nach der Geburt deiner Tochter zu etwas zurückgefunden, was schon früh in dir angelegt war - eine Hinwendung zum Göttlichen. Hast du als junge Erwachsene eine andere Richtung eingeschlagen?

A.H.: Ich wusste gar nicht, was ich machen wollte. Ein Jahr vor dem Abitur habe ich die Schule abgebrochen und bin nach Deutschland gegangen. Anschließend habe ich in England ein Wirtschafts-College besucht mit der vagen Idee, Dolmetscherin zu werden. Meinen Mann hatte ich in Deutschland kennen gelernt. Wir haben geheiratet und erst zwei Söhne bekommen, 13 Jahre später kam unsere Tochter. Während der Familienphase war ich mit dem Alltag beschäftigt, neben den eigenen hatten wir noch Pflegekinder, und ich habe in Firmen Englisch unterrichtet und zusammen mit einer Freundin Bücher aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt.

KuM: Du hast auch selbst ein Buch geschrieben, vor zwanzig Jahren den Titel "Leg mir die Hand auf". Es ist mit jährlich 1000 verkauften Exemplaren ein sog. Longseller geworden. In diesem Buch richtest du dich an Eltern mit chronisch kranken Kindern. Sind Kinder ein besonderes Anliegen deiner Arbeit?

A.H.: Die Arbeit mit den Kindern liegt mir immer noch sehr an Herzen. Die Kinder sind meistens sehr offen für das Handauflegen. Ich zeige Müttern, wie sie ihre Kinder behandeln können. Wenn die Mütter sich für die spirituelle Kraft öffnen, geschieht oft erst Heilung in ihnen. Die Beziehung zwischen Mutter und Kind wird inniger, die Symptome des Kindes heilen oft.

KuM: Wann hat das Handauflegen in deinem Alltag mehr Raum eingenommen?

A.H.: Als eine Freundin sah, wie sich die Haut unserer Tochter besserte, fragte sie mich, ob ich etwas für ihre Blase tun könnte – es hat ihr geholfen. Dann kam jemand mit Schmerzen in den Knien und so ging das weiter. Es hat sich herumgesprochen. Erst im Freundeskreis und mit der Zeit kamen Menschen, die ich nicht kannte. Zu jedem sage ich das Gleiche: Schauen wir, ob es Ihnen gut tut. Manchmal ist sichtbare Hilfe möglich, manchmal nicht.

Tatsächlich habe ich etwa sieben Jahre nach meinen eigenen Anfängen begonnen, meine Erfahrung im Handauflegen in kleinen Gruppen weiterzugeben. Irgendwann kam das Buch als natürliches Produkt dieser Entwicklung dazu.

KuM: Aber heute bist du Kontemplationslehrerin und aus dem englischen Verband der Geistheiler ausgestiegen. Das legt die Vermutung nahe, dass es einen Scheidepunkt gab, an dem du dich für einen Weg entschieden hast oder mit bestimmten Dingen im Verband unzufrieden warst?

A.H.: Je mehr ich mich mit dem Handauflegen auseinandergesetzt habe, um so stärker wurde mein Wunsch, mich hinzuknien und dem Göttlichen zu öffnen. Deshalb habe ich Jahre lang ohne Anleitung meditiert. Vor etwa 15 Jahren begegnete ich Pater Willigis und fand bei ihm etwas, womit ich mich als Christin mit meiner inzwischen buddhistischen Praxis identifizieren konnte. Endlich war da jemand offen genug, um beidem Raum zu geben. Die Kontemplation und die darin gemachten Erfahrungen haben mich natürlich stark geprägt und sind in meine Arbeit eingeflossen, so dass ich mich im Verband nicht mehr so beheimatet gefühlt habe. Nach der Begegnung mit Willigis und der ernsthafteren Übung der Kontemplation ist mir aufgegangen, dass Handauflegen und Kontemplation das Gleiche sind. Ob ich alleine auf meinem Kissen sitze oder jemandem vor mir die Hände auflege, ist das Gleiche. Nichts tun, einfach offen sein für das, was da ist.

Insofern gab es zwar eine klare Entscheidung für die Kontemplation, die jedoch letztlich zur Vertiefung meiner heilerischen Arbeit geführt hat. Inzwischen verbinde ich in meinen Kursen das Handauflegen mit der Kontemplation, weil ich darin eine Möglichkeit sehe, die Themen Macht und Ego, die mit dem Heilen verbunden sein können, möglichst klein zu halten. Die Beschäftigung mit dem eigenen Innenleben beim Sitzen zeigt uns nämlich, wo wir wirklich stehen!

KuM: Dann ist das Handauflegen, wie du es lehrst und praktizierst, ein Prozess des Heil-Werdens und der spirituellen Öffnung für beide, den Behandelnden und den Klienten, so dass nicht der eine ,Eingeweihte' gibt, während der andere von ihm nimmt.

A.H.: Nein, keiner ist "höher" oder "besser". Wir sind alle in diesem Netz der Schöpfung verbunden und jedes Lebewesen ist kostbar. Respekt ist für mich ein großes Anliegen, jeder von uns ist genauso, wie er oder sie ist, einzigartig und ein Ausdruck Gottes. Außerdem ist das Handauflegen ein Geben und Nehmen, denn der Heiler entfaltet sein Potenzial durch die Klienten, die zu ihm kommen. So stellt sich interessanterweise oft bei Heilern eine Art Spezialgebiet heraus, ein Bereich, in dem er die größten Erfolge hat. Zu manchen kommen hauptsächlich Menschen mit Bronchialleiden, zu anderen solche mit Rückenschmerzen und zur dritten Gruppe Leute mit Depressionen. Allerdings glaube ich, dass Heilung immer geschieht, wenn wir die Hände auflegen, weil Energie freigesetzt wird. Heilung geschieht von innen nach außen. Als erstes werden die mentale und die emotionale Ebene angesprochen, erst dann der Körper. Wenn wir von der spirituellen Ebene kommen, kann Heilung nur so weit gehen, wie sich Klient und Heiler dem Spirituellen geöffnet haben.

KuM: Nach einem Kurs bei dir habe ich meinem asthmakranken Sohn sehr oft im Akutfall die Hände aufgelegt, was viel besser wirkte als das Spray. Natürlich habe ich damit manches Misstrauen bei anderen geweckt. Ich konnte ihnen aber nicht erklären, ob beim Handauflegen die Präsenz des Heilers, die Selbstheilungskräfte des Klienten oder einfach die menschliche Zuwendung wirkt. Oder hängt Heilung am Ende mit der Überzeugung des Klienten zusammen?

A.H.: Die kann eine Rolle spielen, muss aber nicht. Manche können sich durch ihren Glauben und ihre mentalen Kräfte selbst beeinflussen, so dass Heilung geschieht. Ich habe nicht die Erwartung, dass jemand für den Heilungserfolg einen Glauben mitbringt. Es genügt, dass derjenige kommt. Jesus sagt auch in einem Fall: Dein Glaube hat dir geholfen, und im anderen bittet ihn jemand für einen Dritten und es geschieht auch Heilung. Es gibt Beispiele, in denen mentale Willenskraft und deren Einflüsse zur Heilung führen können. In anderen Fällen geschieht Heilung durch die Öffnung und Hingabe, indem der Mensch geschehen lässt und sich nicht darauf festlegt, was geschehen soll. Alles, die Präsenz des Heilers, die Selbstheilungskräfte und die menschliche Zuwendung wirken, aber für mich ist es mehr als das. Heilung geschieht aus einer Ebene, die mehr ist als alle diese Teile. Der Heiler funktioniert als Kanal, aber Es heilt. Wenn sie sein soll, findet Heilung ihren Weg, unabhängig von der Therapieform, das ist meine Erfahrung. Jeder und jede muss den Weg gehen, bei dem er oder sie sich am wohlsten fühlt und am wenigsten Angst hat. Dann kann Heilung ihren Weg finden, der manchmal ganz anders verläuft als erwartet. Einmal kam eine Arthrosepatientin mit starken Rückenschmerzen zu mir, sie war um die 60 und hatte ein hartes Leben hinter sich, war Schulabbrecherin mit einer schweren Kindheit, ihre eigenen Kinder waren undankbar und verständnislos, ebenso der Ehemann, der nichts für sie tat. Ich habe ihr die Hände aufgelegt und ihr das Gebet mitgegeben. Beim nächsten Mal war alles noch viel schlimmer, sie hatte einen Ausschlag und unerträgliche Knieschmerzen. Als sie das dritte Mal kam, erzählte sie, es sei etwas geschehen, sie sei aus der Praxis gegangen und vier Menschen haben ihr einen guten Morgen gewünscht. Sie müsse gestrahlt haben. Beim vierten Besuch berichtete sie von einem Wunder: Ihr Mann hatte angeboten, ein Zimmer zu tapezieren. Und so ging es weiter, schließlich hat ihr der Mann Abend für Abend die Hände auflegt, bis zu seinem Tod, und sie verlor nie wieder ein schlechtes Wort über ihn. Dieses Beispiel zeigt, dass das Handauflegen eine Heilung auf allen Ebenen bewirken kann.

KuM: Kontemplation und Handauflegen verbinden uns mit der Stille, die wir alle in dieser hektischen Zeit suchen, und machen uns durchlässig für die andere Wirklichkeit, die wir Gott nennen. Aber welche Möglichkeiten haben wir, diese Wege "in der Welt" und zu den Menschen zu bringen, die sie am nötigsten brauchen?

A.H.: Was das Handauflegen betrifft, so habe ich die Vision, dass es in die öffentlichen Einrichtungen kommt, und dass Menschen, die die Kontemplation als Kraftquelle haben, diese nutzen, um in Krankenhäusern, Seniorenheimen, Hospizen oder Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen das Handauflegen zu praktizieren. Deshalb biete ich seit November letzten Jahres zum ersten Mal eine zweijährige Ausbildung an für Menschen, die diese Aufgabe in öffentlichen Einrichtungen übernehmen möchten, wo das Handauflegen offiziell genehmigt wurde. Vierzehn Menschen mit der offiziellen Erlaubnis, das Handauflegen in ihrer Einrichtung zu praktizieren, nehmen an diesen Projekt teil. Obwohl wir erst begonnen haben, machen sie sehr gute Erfahrungen, die sie teilweise dokumentieren. Ich hoffe, das Ganze hat eine Signalwirkung.

KuM: Deine Arbeit erreicht damit eine weitere, offiziellere Ebene, außerdem hast du mir verraten, dass dein zweites Buch in Vorbereitung ist.

A.H.: Ja, es steht schon kurz vor der Fertigstellung und richtet sich an Menschen, die sich mit dem Handauflegen tiefer befassen wollen. Es knüpft an die Praxis an, beleuchtet aber gleichzeitig die tieferen Zusammenhängen von Handauflegen und Kontemplation.

KuM: Vielen Dank für das Gespräch.

Elisabeth Müller,
aufgewachsen als Pfarrerstochter in Mexiko-City. Lebt mit Mann und Sohn in der Nähe von Frankfurt; ein weiterer Sohn ist epilepsiekrank. Literaturübersetzerin und Lektorin für Spanisch und Französisch und Schülerin von Willigis Jäger. Kontemplationslehrerin des WFdK, Ausbildung in transpersonaler Prozessarbeit "Schritte ins Sein" bei Richard Stiegler. Gibt Kontemplationskurse und begleitet Einzelne auf dem inneren Weg.
E-Mail: E-Mail,  Internet: Link

 

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