Würzburger Forum der Kontemplation e. V. (WFdK)

Orte der Praxis

 

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Alltag und Spiritualität: Ein fiktiver Besuch bei Innenhof e.V.

Autoren: Volker Resch, Reinhard Wahl
Wörter als Vorwörter:

Was ist wichtig? Für Innenhof ist es das "und". Alltag und Spiritualität. Mit vier kleinen Kindern im Haus wird die Spannung dieses Bindewortes besonders bewusst. Konkret gefragt: Gehen ein Ort der Stille und kleine Kinder zusammen? Schließt sich das nicht aus?

Der ungewöhnliche Text versucht der Frage Raum zu geben. Aus der Perspektive eines Gasts bei Innenhof. Distanz wahrend, aber doch mittendrin. Sie als Lesende sind eingeladen, die Rolle des Gastes einzunehmen und zu beleben. Beobachten und reflektieren Sie Ihre Gedanken, Gefühle… Und leben Sie jetzt – wie Rilke – Ihre Fragen.

Der ICE hält auf der grünen Wiese, mitten in der schwäbischen Provinz, 23 km vor Stuttgart. Aus dem Lautsprecher tönt "Vaihingen/Enz". Nie gehört. Aber hier soll es einen Ort der Stille geben. Deshalb bin ich hier. Ein Bus fährt mich "ens Städtle naa", wie ein älterer Fahrgast sagt. Die Haltestelle liegt direkt vor einem großen rot-gelben Backsteinhaus. Gründerzeit, einem römischen Stadthaus nachempfunden, ordne ich stilistisch ein. Sicher unter Denkmalschutz.

"Autsch!", ein rotes Bobbycar trifft mich unvorbereitet am Schienbein.

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Den kleinen Fahrer stört das wenig. Seinem Kollegen kann ich gerade noch ausweichen. Die beiden biegen zur Haustüre ab, gehören wohl hierher. Ich möchte die Klingel betätigen, werde aber vom Nachbargarten aus bemerkt. "Hallo! Wir erwarten Sie!", spricht mich eine junge Frau an, die dort Unkraut aus dem Gemüsebeet zupft. Daneben gluckst ein Baby im Wagen. Die Mutter stellt sich als Marina Resch vor und erklärt, dass der Garten tatsächlich einem Nachbarn gehöre, aber von der Hausgemeinschaft bewirtschaftet werde, die ich besuchen möchte.

Im Schutz ihrer Hosenbeine grinst mich der Bobbycarfahrer an. Jonathan heißt der Junior und stürmt wieder voraus, als wir ins Haus gehen. Die schwere Eichentüre bremst ihn aus, aber er schafft es, sie zu öffnen. Das helle Treppenhaus überrascht mit Bildern, die im Stil unterschiedlich, aber doch erkennbar aus einer Hand sind. Manche treffen mich ins Herz, andere lassen mich kalt. Unter jedem Bild ist ein Vers von Angelus Silesius zu lesen, der künstlerisch umgesetzt wurde. Den Maler treffe ich im 1. Stock in seinem Atelier. Geduldig füllt er eine Fläche nach der anderen.

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Wie viele das sind, möchte ich gar nicht wissen. Mein Gespräch mit Andreas Gmelin-Rewiako bewegt sich in philosophischen Kategorien. Er versucht die drei Dimensionen der Kunstbetrachtung "Auge des Leibes" (realistisch), "Auge der Seele" (abstrakt) und "Auge des Geistes" (universell) mit mystischer Erfahrung in Beziehung zu setzen: "Kunst und Kontemplation sind Geschwister. Künstlerischer Ausdruck ist die Tür zum kontemplativen Zustand, dem Gewahrsein der Leere. Dem kontemplativen Zustand entspringt der künstlerische Ausdruck." Ich finde das hochspannend. Meine Gedanken fangen an zu fliegen.

Aber das Klappern einer Computertastatur erdet mich. Martina Rewiako tippt nebenan mit der kleinen Alisa auf dem Arm die Anmeldungen zum kommenden Vortrag in den Computer.

Der aktuelle Stand: Sven-Joachim Haack wird den kleinen Saal unterm Dach füllen. Eigentlich ist der Dachraum Reinhard Wahls Wohnzimmer, aber so langsam durchschaue ich das Prinzip der Hausgemeinschaft: Jeder bringt das ein, was er kann und hat. An der großen Dachverglasung ist Reinhard unschwer als Fensterbauer zu erkennen.

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Er nimmt mich mit in die Kellerwerkstatt, wo neben Jonathans Hochbett und maßgeschneiderten Bücherregalen Glockenstühle für Räume der Stille entstehen. "Spalte ein Stück Holz und ich bin da", kommt mir in den Sinn.

Daneben erwartet mich Volker Resch im Ort der Stille. Der schallgedämmte Kontemplationsraum im Untergeschoss des modernen Anbaus bietet Platz für 15 Menschen. In all dem Beton stehe ich plötzlich vor der ausgegrabenen Fundamentwand des Altbaus. Ohne mein Zutun entsteht eine Resonanz zwischen der Stille in mir und der Stille des Raumes.

Verweilen. Da sein. Sonst nichts.

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Die Übung des Sitzens in der Stille ist Volkers Impuls zur Hausgemeinschaft: "Kontemplation ist ein Übungs- und Lebensweg, der uns Menschen von innen verwandelt. Er bewirkt eine ‚religiöse‘ Haltung, die unabdingbar ist für die Entfaltung der Menschlichkeit des Einzelnen im Alltag." Volker erklärt mir, dass an Werktagen zwei Mal am Tag die anwesenden Mitglieder der Hausgemeinschaft zum offenen Sitzen in der Stille einladen: Von 9.00 bis 9.30 Uhr und von 20.30 bis 21.00 Uhr.

Als WFdK-Lehrer begleitet er jeden Montagabend die Sitzgruppe von Andreas Gmelin-Rewiako, die in ein ausführliches Nachgespräch mündet. Die Reflexion des Erlebten sei ihm sehr wichtig, betont Volker. Deshalb veranstalte Innenhof  neben Übungen in Kursform vier Vorträge pro Jahr. Diese seien mittlerweile zum Markenzeichen des Vereins geworden. Am 9. März 2009 komme die Yogalehrerin Helga Simon-Wagenbach nach Vaihingen, Peter Rosien der ehemalige Chefredakteur von Publik Forum am 12. Mai 2009.

"Essen!" – ein kräftiger Schrei holt uns ins zeitliche Jetzt zurück. Bobbycarfahrer Nr. 2 stellt sich als Benjamin Rewiako vor, der offensichtlich Hunger hat und mit dem Hausessen beginnen will. Ich bin eingeladen. Gäste gibt es anscheinend häufig, denn Benjamin streckt mir seine Hand entgegen: "Piep, piep machen!". Ich verstehe – ein Ritual aus dem Kindergarten zu Beginn des Essens.

Mit elf Personen ist der große Tisch bei Rewiakos voll besetzt, denn zur Hausgemeinschaft gehört als Externe auch die Yogalehrerin Gudrun Schäfer, die ebenfalls Kurse bei Innenhof hält. Als die Teller gefüllt werden, wird mir die Situation zu unwirklich: "Ist das alles heile Welt hier?", denke ich. Kaum gedacht, ist der Gedanke auch schon verworfen, denn Jonathan kreischt lauthals und auf dem Stuhl stehend: "Das ess ich nicht!" Damit meint er den Spinat aus dem Garten. Das Gespräch der Erwachsenen am abendlichen Tisch dreht sich um Gott und die Welt. Von der schwäbischen Kehrwoche bis zu den jüngsten Thesen aus Klaus-Peter Jörns Buch. Aber ein Tischgebet gibt es nicht. Mir wird deutlich: Den Innenhöflern kommt es auf die innere Haltung an. Das Vespern wird zum Gottesdienst. Alles und nichts ist heilig. Immer zweimal pro Woche trifft sich die Hausgemeinschaft zum Abendessen. Neben dem Sitzen in der Stille der einende Pol der Gemeinschaft. Und jung ist die Runde: Die ältesten im Haus sind gerade 40.

Am nächsten Morgen besteige ich wieder den Bus. Erst jetzt wird mir das Umfeld deutlich: Kriminalpolizei, Amtsgericht, Bewährungshilfe. Aber auch Diakonie und Vaihinger Tafel. Als der Bus losfährt, braust ein rotes Bobbycar um die Ecke. Ich schmunzle.

Wörter als Nachwörter:

Einerseits verführt der Alltag mit kleinen Kindern spirituell suchende Eltern zu einer vorschnellen Einsicht: Nicht der Ort der Stille und die dortigen Übungen seien zentral. Entscheidend sei vielmehr die konkrete Haltung im Alltag – wenn das Bobbycar aufs Schienbein trifft.

Andererseits verführt das "immer wieder Einkehren auf Zeit" spirituell suchende Erwachsene zu einer vorschnellen Einsicht: Nicht die konkrete Haltung im Alltag sei zentral – wenn die Festplatte sich verabschiedet. Entscheidend sei vielmehr der tägliche Rückzug an einen Ort der Stille und die Suche nach Erleuchtung.

Die Auf-Lösung: Es geht darum, die obige Dualität von Welt und göttlichem Sein, von innen und außen, von Form und Leere zu überwinden.

Wie immer bringt es Eckart auf den Punkt: "Gott muss schlechthin ich werden und ich schlechthin Gott, so völlig eins, dass dieses 'Er' und dieses 'Ich' ein 'Ist' werden und sind und in dieser Seinsheit ewig ein Werk wirken."

Oder wie Peter Reiter schreibt: "Denn das Göttliche ist nicht innen und die Welt außen, wie wir es in unseren beschränkten dualen Kategorien begreifen, sondern das Göttliche ist überall (und nirgends) und durchdringt auch die Erscheinung. Habe ich das erkannt, kann ich das Göttliche überall und in allem sehen: In jedem Menschen, in jeder Pflanze, in jedem Stein." Erst dann kann ich die Welt, so wie sie jetzt und hier ist, wirklich wertschätzen. Auch die schmerzhafte Begegnung von Bobbycar und Schienbein. "Fortan gehe ich staunend durch die Welt." Wieder wie ein Kind. "Frei in fast jede Rolle zu schlüpfen und sie auch wieder abzulegen. Frei, das (dem Augenblick) Gemäße zu wählen und zugleich gegenüber den Traditionen, Normen und Gewohnheiten der Menschen flexibel und biegsam wie ein Grashalm zu sein."

Literatur

Peter Reiter: "Geh den Weg der Mystiker – Meister Eckarts Lehren für die spirituelle Praxis im Alltag", Verlag Hermann Bauer, Freiburg im Breisgau 2001, Seiten 268–271

Volker Resch,
Jg. 1971; verh.; ein Kind. Zwei Jahre Vermessungstechniker; seit 1997 Dipl. Religionspädagoge EFH-Freiburg/i.Br. und Diakon der Württembergischen Landeskirche. Ab 2000 Kontemplation bei Pater Willigis Jäger, OSB. Eigene Kontemplationsgruppe seit 2001. Mitglied im UFMM seit 2004 "Uracher Forum für Mystik und Meditation". Seit August 2005 in Elternzeit und Hausmann. Tägliches "Sitzen in der Stille" mit der Hausgemeinschaft in der Heilbronner Straße 24 in 71665 Vaihingen/Enz. Kontemplationskurse u. a. siehe unter www.innenhofvaihingen.de.

Reinhard Wahl,
geb. 1968; wohnhaft bei und Mitgründer von Innenhof e.V. in Vaihingen/Enz. Dipl.-Sozialarbeiter (FH); Ausbildung in personzentrierter Gesprächsführung. Verantwortlich für den Kundendienst eines mittelgroßen Fensterbaubetriebs. Glocken-, Archiv- und Denkmalfreund. Stadtführer. Kontemplation seit 2000.

Der Verein:
– Übungen und Vorträge –
Kontakt: Volker Resch (WFdK)
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Anmeldung: Martina Rewiako
Telefon: 07042 813599 (Verein)
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Internet: www.innenhof-vaihingen.de

Das Haus:
– Denkmal und Ort der Stille –
Kontakt: Reinhard Wahl
Telefon: 07042 813676
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Internet: www.heilbronner-strasse-24.de

Die Kunst: Internet:
– Form und Leere –
Kontakt: Andreas Gmelin-Rewiako
Telefon: 07042 813630
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Internet: www.kunst-und-kontemplation.de

Die Übung: Yoga
– Atha Yoga! – Jetzt Yoga! –
Kontakt: Gudrun Schäfer (Yogalehrerin BDY)
Telefon: 07042 818351 E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Das Handwerk in der Freizeit: Internet: www.signum-dare.de
– Glocken und Kontemplation –
Kontakt: Reinhard Wahl
Tel.: 07042 813676
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Heilbronner Straße 24
71665 Vaihingen/Enz (Württemberg)
Fax: 07042 813677

 

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