Würzburger Forum der Kontemplation e. V. (WFdK)Fortbildung - Werkstattberichte |
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Die Bhagavad Gita: Vom inneren Kampf des Menschen auf dem Weg zum GöttlichenFortbildungskurs der WSdK: 28.01. – 31.01.2008, Benediktushof, Holzkirchen Kursleiter: Pater Sebastian Painadath Ein WerkstattberichtAutoren: Edeltraut Kaserer-Kiebacher und Norbert Seeger "Die Schriften der Bhagavad Gita", so lautete der vielversprechende Titel der Fortbildung im Anschluss an die WSdK-Tagung im Januar 2008, an der 14 Personen teilnahmen. Gleich zu Beginn gab der Seminarleiter die Methode bekannt: Textstudium. Welch ein Privileg, zweieinhalb Tage Texte in einer Gruppe lesen und besprechen zu dürfen! Ebenso privilegiert fühlten wir uns durch unseren hochqualifizierten Guide, Pater Sebastian Painadath, einen indischen Jesuiten aus einem christlichen Ashram, den er mit drei Mitbrüdern in Südindien gegründet hat. "Alle Übersetzungen sind falsch"Unterschiedliche Motivationen hatten uns Teilnehmer in diese Fortbildung geführt, aber die Faszination an einem fern dem Abendland entstandenen Text und die Hoffnung, etwas ganz Neues, nie Gekanntes zu erfahren, war bei allen spürbar. Manchmal ist es nötig, in die Ferne zu schweifen, um den eigenen Lebensmittelpunkt, unser Zuhause neu einordnen zu können. Eine solche Reise nach Fernost mit neuen Erkenntnissen schien uns dieser Text zu versprechen. Einige hatten deutsche Übersetzungen der Bhagavad Gita dabei, andere warteten noch auf die Lieferung aus der Benediktushof- Buchhandlung. Sebastian Painadath bemerkte dazu: "Alle Übersetzungen sind falsch." "Also auch meine", dachte da wohl jeder. Als einzige Übersetzung ließ er "Die Bhagavadgita" von S. Radhakrishnan, allerdings auch nur halbwegs, gelten und behalf sich selbst für die Textarbeit damit, uns die jeweiligen Verse in Sanskrit vorzulesen und dann aus dem Stehgreif ins Deutsche zu übersetzen. Die Bhagavad Gita – wörtlich "Der Gesang des Erhabenen" – ist in Nordindien entstanden und besteht aus 700 Doppelversen, gegliedert in 18 Gesänge oder Kapitel, denn die Gedichtform eignete sich gut für die mündliche Überlieferung. Der Text stammt aus der Zeit zwischen 400 v. Chr. bis 200 n. Chr. und wurde, wie damals üblich, Jahrhunderte lang durch Geschichten überliefert und später, vermutlich von mehreren Verfassern, zu einem zusammenhängenden Text geformt, und, so P. Painadath, "vor dem Verlust bewahrt, indem man ihn auf einer ganz besonderen ‚Festplatte’ speicherte, nämlich als Kapitel 6 im 100.000 Doppelverse umfassenden Mahabharata- Epos." Die Veden (1200 – 900 v. Chr.), eine der heiligen Schriften des Hinduismus, gelten als der älteste indische Text und thematisieren eine kosmische, nach außen gewandte und mit vielen rituellen Handlungen ausgestattete Spiritualität. In einer Art Gegenreaktion darauf wurden 900 – 400 v. Chr. die Upanishaden – allerdings für eine Elite – verfasst, ein weiteres heiliges Buch des Hinduismus, das den Blick nach innen und zu den mystischen Aspekten wendet. In der Bhagavad Gita schließlich geht es um die Integration aller Dimensionen der Spiritualität – der kosmischen, der mystischen und der ethischen. Die äußere Handlung der Bhagavad Gita und ihre SymbolikDie äußere Handlung der Bhagavad Gita spielt auf einem Schlachtfeld, kurz vor Beginn des Kampfes. Arjuna, der Anführer eines der beiden verfeindeten Lager, ist sich plötzlich nicht mehr sicher, ob er es schafft, gute Bekannte und Verwandte, die er unter den Gegnern entdeckt, zu bekämpfen und vielleicht gar zu töten. Während er von Zweifeln gequält wird, dreht sich Krishna, der Wagenlenker des Fünfgespanns, auf dem Arjuna steht, um und beginnt ein Gespräch mit ihm. Die Bhagavad Gita ist ein Epos und ihre Handlung ist metaphorisch zu verstehen, somit spielt sich die Schlacht nicht im Außen ab, sondern im Inneren des Menschen. Arjuna steht für einen Menschen, der sich in der Krise befindet, Krishna für das Göttliche, das in die Seele dieses Menschen eintritt. Der Wagen ist ein Symbol für unseren Leib, gezogen von fünf Pferden, also von unseren fünf Sinnen, die alle in verschiedene Richtungen wollen. Das ist das Bild für Arjunas Krise und den menschlichen Zustand im Allgemeinen. Der Zügel symbolisiert den Verstand, gehalten von der Intuition als der Hand am Zügel. Diese Erläuterungen machten uns allen schlagartig klar, wie hochaktuell dieser alte Text ist und was uns daran verlockt hatte. Wir studierten ihn als Suchende, als Arjuna, auf dem Weg zur Erfahrung der Göttlichkeit – Krishnas – in uns selbst. Die Bhagavad Gita beschreibt den Prozess, in dessen Verlauf die Göttlichkeit in das Leben des Menschen eintritt, die Zügel übernimmt und eine Verwandlung in Form eines inneren Heilsdialogs vollzieht. Das erklärt auch, weshalb die Bhagavad Gita ein zeitloses Buch ist, ein Wegweiser für Menschen in der Sinnkrise und auf der Gottessuche, die diesen Dialog zwischen dem eigenen Ich und dem göttlichen Selbst im Inneren erleben. Die zentrale Botschaft dieses alten Epos lautet: Vertraue dich Gott in dir ganz an, dann zeigt er sich. Genau dieses Grundvertrauen will die Bhagavad Gita vermitteln, nämlich dass ich als Mensch getragen bin. Zur Prozessbegleitung und als mystischer Text kann sie, ja sollte sie, wieder und immer wieder gelesen werden, weil sie ihre Wirkung nicht über den Verstand entfaltet, sondern sukzessiv durch die wiederholte Befassung. Die Vergöttlichung des MenschenDer Prozess der Vergöttlichung des Menschen wird in der Bhagavad Gita als Weg mit drei Dimensionen begriffen, nämlich HINGABE (Bhakti), ERKENNTNIS (Inana) und TUN (Karma). Jede dieser drei Dimensionen entfaltet sich in drei sich vertiefenden und wiederholenden Phasen: Anfang, also die ersten Schritte zu Gott hin; Vertiefung; Integration, also die Schritte zurück ins Leben, in den Alltag, dorthin, wo man gerade steht. Diese drei Phasen stellen wir im Folgenden vor. Sie stellen die Transformation des Menschen von der personalen zur transpersonalen Struktur dar. Der Bhakti-WegBhakti bedeutet wörtlich "sich teilen", und der Bhakti-Weg der Hingabe ist der Weg der Liebesmystik, vergleichbar der Wegbeschreibung eines Johannes vom Kreuz.
Der Inana-WegInana heißt wörtlich "gewahr werden, bewusst werden" und wird als Weg der Erkenntnis bezeichnet. Er führt über die intuitive Erfahrung der grundlegenden Harmonie in die kontemplative Wahrnehmung der göttlichen Tiefe in der Wirklichkeit. Das ICH geht ins DU ein.
Der Karma-WegKarma heißt wörtlich übersetzt "wirken, handeln, tun" und gilt als der Weg des Handelns, P. Sebastian nennt ihn auch Werkemystik in dem Sinn, dass "dein Werk Andacht ist". Wiederum sind es drei Stufen, die diesen Weg kennzeichnen.
Die gesamte Spiritualität der Bhagavad- Gita könne in einem Satz zusammengefasst werden: "Yogasthah kuru karmani" (BG II, 48), zu Deutsch: "Sei geeint mit dem göttlichen Grund und wende dich dem befreienden Werk zu, hinweg mit jeder Form von HaB-hagavad G-ita-ier; so wirst du ein ausgeglichener Mensch werden. Christlich gesprochen bedeute dies: "Contemplativus in actione" – Sei kontemplativ im Tun…! P. Sebastian Painadath fasste zum Abschluss unseres Textstudiums all das Gesagte, Gelesene, Geschriebene in dem Satz zusammen: ALLES IST GÖTTLICH! Und so empfanden wir die in Sanskrit gelauschten Verse mit ihrem Rhythmus und ihrer Melodie als so faszinierend und in ihrer Schwingung so harmonisch, dass sie unmittelbar das Herz berührten. Allein deshalb klang jede Übersetzung in unseren Ohren unvollkommen. Um das Gelesene und Gehörte zu verinnerlichen, fanden wir uns regelmäßig zur Meditation ein. P. Painadath gab uns Anleitungen zur Praxis meditativer Versenkung. Er sprach über das Sitzen, die Erdverbundenheit, die Leibwahrnehmung, den Atem und über Mantras. Wir übten am Morgen das "Sonnengebet" und den "Baum" als leibbezogene Übungsgebete (vgl.: S. Painadath, Befreiung zum wahren Leben, S. 82 ff.). An einem Abend zeigte uns P. Sebastian den Film "Im Garten der Stille" über seinen Ashram "Sameeksha" ("Ganzheitliche Schau") im südindischen Dorf Kalady und erklärte, dass es das Hauptanliegen seiner Begründer sei, alles im göttlichen Zusammenhang zu sehen. Das einfache Leben, das uns in dem Film vorgeführt wurde, und die Ruhe, die der Ashram ausstrahlte, weckten wohl in einigen von uns den Wunsch, einmal eine Zeit dort zu verbringen und vor Ort dem Geist der Bhagavad Gita zu folgen. Literatur |