Würzburger Forum der Kontemplation e. V. (WFdK)Lehrerinnen und Lehrer im WFdK |
Der nachfolgende Text ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung der Autorin/des Autors bzw. des WFdK. |
|
gewürdigt von |
... das Leben ist immerwährende WandlungVorstellung einer langjährigen Lehrerin Autorin: Gerhilde Bauer, Bis zu meinem 19. Lebensjahr lebte ich in Geisenheim/Rheingau, einer überschaubaren Kleinstadt. Anfangs war ich viel krank. Zu damaliger Zeit gab es noch keine umfassenden Schutzimpfungen. Zunächst ging ich in den Kindergarten der Ursulinen, der dann jedoch geschlossen wurde. Ein NS-Kindergarten öffnete seine Tore, den ich bis zum Eintritt in die Volksschule 1938 besuchte. Mein Vater war altkatholisch und hatte Theologie studiert, dies konnte er jedoch, nach den im 1. Weltkrieg erlebten Gräueln, nicht weiter verfolgen. Er studierte daraufhin Landwirtschaft und widmete sich der Rebsortenkunde. Meine Mutter kam aus einer evangelischen Familie. In unserer Erziehung gab es keine Strafen. Hatten wir etwas „verbockt", so wurde uns erklärt, was daran nicht richtig war, nach dem Motto: Warum, weshalb, wieso? und der Fall war damit erledigt. Wir Kinder waren altkatholisch und in regelmäßigen Abständen kam der Wiesbadener Pfarrer, um uns Religionsunterricht zu erteilen. Ich war damals etwa 5 Jahre alt und liebte diese Bibelstunden sehr. Nach Kriegsbeginn bekam dieser Pfarrer TB und damit war der Unterricht beendet. Ich ging nun in den Kindergottesdienst der evangelischen Kirche und fühlte mich dort bald heimisch. Eine Schwester meines Vaters betreute als Hauswirtschafterin das „Altkatholische Priesterseminar" in Bonn. Bei dieser Tante verbrachte ich meistens meine Ferien. Das war dann auch die Verbindung zur altkatholischen Kirche. Ich war sehr gerne dort und die altkatholischen Gottesdienste haben mich immer sehr angesprochen. Sehr liebte ich die jährlichen Fronleichnamprozessionen in Geisenheim. Wie habe ich die kleinen Mädchen in ihren weißen Kleidern beneidet, die aus ihren Blumenkörbchen Blüten auf den Weg der Prozession streuen durften. Ich versuchte den „Himmel" der Prozessionen öfters zu sehen, obwohl ich nicht wusste, was er bedeutete. Dazu lief ich jeweils durch Seitengassen, um ihm wieder zu begegnen. Vom Dunkel ins Helle von Gerhilde Bauer Inzwischen begann 1939 der 2. Weltkrieg und mein Vater wurde zum Militär eingezogen. Das machte mich so betroffen, dass ich mit Mittelohrentzündungen reagierte, da ich dieses Ereignis nicht akzeptieren und hören wollte. Die Entzündungen brachten mich für drei Monate in ein Wiesbadener Krankenhaus. Um der Einsamkeit zu entgehen, Eltern durften damals nur sonntags ihre Kinder besuchen, habe ich dort jedoch richtig lesen gelernt, was mir auch heute noch ein Bedürfnis ist. Nach diesem Krankenhausaufenthalt machte ich nach meinem achten Geburtstag die Erfahrung, dass es in mir etwas gibt, das nicht stirbt, und daran kann ich mich auch heute noch lebhaft erinnern. Nach der Volksschule bestand ich die Aufnahmeprüfung für das Realgymnasium für Jungen, das sich am Ort befand und das ich bis zum Ende des Krieges besuchte. Die Ursulinen eröffneten daraufhin ihr Mädchengymnasium und dieses verließ ich mit der sogenannten „Mittleren Reife". Während dieser Zeit besuchte ich außerdem den Konfirmandenunterricht und wurde 1947 konfirmiert. Für mich war es eine sehr erfüllte Zeit. Mit meiner etwas älteren Freundin diskutierten wir immer wieder Fragen, die sich uns „über Gott und die Welt" stellten. Ich wechselte dann auf die Höhere Handelsschule in Wiesbaden, erkrankte jedoch nach etwa einem Vierteljahr an akutem Gelenkrheumatismus. Meine Gelenke schwollen sehr an, ich konnte nicht mehr laufen und alles tat mir weh. Zu Beginn dieser Erkrankung besuchten mich die Klassenkameradinnen noch, doch das schlief nach einiger Zeit ein. Es war keine Besserung in Sicht und so musste ich die Schule verlassen. Kreuzweg von Gerhilde Bauer Diese Zeit, in der ich bettlägerig war, betrug etwa ein Jahr. Die Einsamkeit warf mich auf mich selbst zurück. Unterhaltung bot eigentlich nur das Lesen. Wer hatte damals schon ein Telefon? Fernsehen oder Smartphone & Co. waren noch nicht erfunden. Nach einer Penicillin-Kur (sechs Tage alle drei Stunden, Tag und Nacht, eine Spritze) wurde es dann etwas besser. Anfang der achtziger Jahre fiel mir das Taschenbuch „Wissende, Verschwiegene, Eingeweihte, Hinführung zur Esoterik" in die Hände, in dem über Yoga geschrieben wurde, was mich sehr ansprach. Ich versuchte dies für mich zu üben, denn Kurse gab es zu damaliger Zeit ja auch noch nicht, und die Übungen halfen mir einigermaßen über die Schmerzen hinweg. 1950 trat mein Vater eine neue Stelle in Würzburg an, und wir wechselten vom Rhein an den Main. Leider wurde 1951 mein kleiner Bruder (13 Jahre alt) von einem Müllauto bei Schneematsch überfahren. Mein Vater hatte ihm noch das Radfahren verboten, doch er ignorierte diese Ermahnung. Drei Tage vor diesem Ereignis sagte dieser Bruder, ohne Anlass, zu mir: „Wenn ich mal tot bin, besuche ich dich!". Ich verbat mir solche Rede, doch er hielt sein Versprechen und besuchte mich abends an seinem Todestag. Ich wusste nicht recht mit diesem Erlebnis umzugehen, empfahl ihm aber ein gutes „Weitergehen" und er verschwand. Seit dieser Zeit weiß ich, dass es keinen Tod gibt, sondern dass das Leben, in welcher Form auch immer, weitergeht. Parallel zu diesen Ereignissen besuchte ich einen Einjahreskurs in einer Wirtschaftsschule, um mich danach als kaufmännische Angestellte zu bewerben. Es war seinerzeit nicht schwierig, eine Anstellung zu finden. So landete ich bei einem Würzburger Unternehmen, das auch heute noch besteht. Etwas später las ich in der Zeitung eine Anzeige, dass das Fremdenverkehrsamt jemanden suchte, und mir wurde diese Stelle zugesprochen. Es war für mich eine sehr schöne und harmonische Zeit. Jeden Tag so etwas wie Mozartfest oder Mainfrankenmesse, das Ausführen von VIPs, und immer wieder Führungen oder auch Auskunftsdienst am Bahnhof. Natürlich hatte ich auch schriftliche Arbeiten zu erledigen, doch diese füllten nicht die Tage aus. Ich habe dabei viel gelernt. Gleichzeitig belegte ich in der „Berlitz-School" Kurse in Englisch und Französisch. Den Englischkurs beendete ich mit einer entsprechenden Prüfung, während mir beim Französischen bei einem Ski-Kurs mein jetziger Mann „in die Quere kam". Wintertag von Gerhilde Bauer So geschah es, dass wir 1957 heirateten und 2017 unsere „Diamantene Hochzeit" feiern konnten. Ich zog mit nach Köln und es begann für mich wieder einmal eine Zeit des gelegentlichen Alleinseins, denn mein Mann war viel auswärts und ich selbst hatte dort keine Bekannten. Ich arbeitete in einem juristischen Verlag, und das entsprach so gar nicht meinem Geschmack. Ich vermisste meine Freundinnen und Freunde sehr, die in Würzburg zurückgeblieben waren. Auch fehlte mir in Köln die kirchliche Bindung. Die Gottesdienste erlebte ich als kalt und geistlos. 1962 wurde dann unsere Tochter geboren, und ich gab meine Berufstätigkeit auf. Ich war vollauf damit beschäftigt, „alles auf die Reihe zu bekommen", und hatte wenig Ahnung von Haushalt oder Babypflege. Alleine schon die Wäsche, denn „Pampers" = Fehlanzeige. So war nach einem Kühlschrank eine Waschmaschine unsere erste größere Anschaffung, und alle Hausbewohner wollten dieses Wunderwerk der Technik bestaunen. 1963 starb dann mein Vater mit nur 67 Jahren. Da meine Mutter sehbehindert war, suchte ich eine Möglichkeit, wieder nach Würzburg zurückzukommen. Das ergab sich und so waren wir 1964 wieder in Würzburg und 1965 kam dann unser Sohn zur Welt und meine Tage waren voll ausgefüllt. Die kirchliche Bindung war sehr locker geworden, um nicht zu sagen: Sie sagte mir nichts mehr. Da erfuhren wir von einem Glaubens-Kurs, genannt „Cursillo", und mein Mann besuchte solch einen Kurs. Nach langem Zögern meldete ich mich auch an. Und dort geschah es, dass ich in ein spirituelles Erleben katapultiert wurde. Ich hatte plötzlich jemanden (unsichtbar) neben mir. Das ging längere Zeit so und verunsicherte mich total. Es animierte zu ständigem Beten. Ich befragte den Begleiter des „Cursillo" und er meinte nur: „Dazu kann ich dir nichts sagen, doch du kannst Mitarbeiterin werden!". Ein Pater meinte: „Am besten gehen Sie einmal zu einem Psychiater!" Das war eine sehr erhebende Auskunft, aber ich wusste: „Das ist es nicht!" Schließlich berichtete ich meinem Mann darüber, und er fand kurz darauf das Buch „Kontemplation" von Willigis Jäger, in dem als Anhang Erfahrungsberichte abgedruckt waren, in denen ich mich wiederfand. Aufbruch II von Gerhilde Bauer Das Haus St. Benedikt (HSB) hatte gerade seine Pforten geöffnet und wir meldeten uns zu einem Einführungskurs an. Das Gespräch mit Willigis beseitigte sämtliche Zweifel, sagte er doch nur: „Das ist ganz normal!" (Was ich allerdings nicht fand). Kurz entschlossen wurde ich seine Kontemplationsschülerin, landete irgendwann an der Glocke, machte Assistenz, wurde Mitglied im „Ökumenischen Arbeitskreis" und war in mancherlei Weise im Haus eingebunden. Später wechselte ich zum Zen und durchlief die Koan-Schulung. Mit Hartmut Baur, Jürgen Fuchs und anfangs auch Dr. Jochen Niemuth begannen wir im HSB eine Sangha-Gruppe zu bilden. Wir starteten mit dem Blättchen „Sangha-Frosch", luden jeweils einmal monatlich zu wechselnden Veranstaltungen ein und gründeten einen Singkreis, der sich wöchentlich traf. Nachdem Willigis aus dem HSB ausziehen musste und die Gruppen „hauslos" wurden, löste sich die enge Bindung, die zum HSB bestand, auf und ist nach dem Einzug in den Benediktushof auch nicht mehr entstanden. Lediglich der Singkreis traf sich noch bis 2017, jedoch an anderer Stelle. Nach dem „Cursillo" bat man mich, das Sekretariat zu übernehmen. Ich hatte die anstehenden Kurse, zusammen mit weiteren Mitarbeiterinnen, zu leiten sowie alle Veranstaltungen und Treffen zu organisieren. Später begann ich in diesem Rahmen Kontemplationskurse zu geben, die ich jedoch nach 10 Jahren aufgab, da ich mich psychisch nicht kompetent fühlte und auch heute noch nicht fühle. Durch meine häusliche Erziehung konnte ich viele Probleme, die an mich herangetragen wurden, nicht nachvollziehen und wusste nicht damit umzugehen. Zeitgleich arbeitete ich immer wieder mit Stoffen. Die erste Berührung damit hatte ich als Kleinkind. Unsere Mutter schrieb für uns Kinder Tagebuch und darin steht: „Gerhilde sitzt so gerne im Kleiderschrank, fasst die Stoffe an und sagt: Oh, wie schön." Mit etwa 8 Jahren versuchte ich aus einem runden Kragen eine gerade Flötenhülle zu fabrizieren. Diese besitze ich heute noch, aber zwischenzeitlich haben sich die Motten an ihr verlustiert. Dann nähte ich Kleidungsstücke, bei denen mir unsere Hausschneiderin beim Zuschnitt und der Anprobe half. Es folgte Kinderkleidung, genäht, gestrickt und bestickt. Später versuchte ich es mit Batik, verzierte und nähte Blusen, die ich gut verkaufen konnte. Es folgte das Seidenmalen, das Kreieren von Schals, Blusen und das Bemalen von Jacken. Aufbruch I von Gerhilde Bauer Und wieder gab es eine Wendung in meinem Tun. Durch meine Eltern lernte ich eine Kunstgewerblerin kennen. Diese arbeitete aus verschiedenen Stoffstücken Wandbehänge. Bei einem Besuch sah ich einen betttuchgroßen Behang an der Dachtraufe ihres Gartenhäuschens hängen und es war um mich geschehen. So etwas wollte ich auch machen. Die Dame gab mir zwei große Säcke mit verschiedenfarbigen Stoffresten und ich begann, unterstützt und beraten von ihr, mit meiner Arbeit. Obwohl die Dame 25 Jahre älter war, entstand eine tiefe Freundschaft und ihr Tod hinterließ in mir eine große Lücke. Mit der Zeit wurde das Arbeiten mit den Stoffen Ausdruck der Aufarbeitung meines inneren Erlebens bei der Meditation und ist mittlerweile für mich Meditation und Darstellung meiner spirituellen Erfahrungen. Jedes Jahr zu den Freundeskreistreffen durfte ich damals im zweiten Stock des HSB meine Arbeiten, die Wandbehänge und Schals ausstellen und etliche haben den Weg zu Besuchern gefunden. So sind also nicht nur Sesshins oder das Studium geistlicher Texte eine Weiterführung, sondern auch künstlerisches Tun kann uns auf unserem spirituellen Weg weiterbringen, genauso wie dies überhaupt durch jede intensive Tätigkeit möglich ist. Nach einiger Zeit stellten sich während der Meditation, ohne mein Zutun, Gedichtstexte oder Geschichten ein, die ich dann aufschrieb. Ich bin jetzt 86 Jahre alt und es ist an der Zeit, meine ehrenamtlichen Tätigkeiten der nachfolgenden Generation zu überlassen. Mittlerweile ist es für mich unwichtig, welcher Religion oder welchem Glauben ein Mensch anhängt. Wichtig ist, dass Lehren nicht angstbesetzt sind. Ab einer gewissen Ebene führen sie sowieso alle in die gleiche Richtung. Nur die Namen sind anders. Es ist egal, welchen Namen ich dem „Endpunkt" gebe. Doch es wird immer Personen geben, die solche Lehren kritisch betrachten und versuchen, sie anderen Menschen auszureden. Jeder hat seinen eigenen Lebensweg und seine entsprechenden Erkenntnisse. Durch seine eigenen Erfahrungen kann er klug und wissend werden und Hilfe für andere Menschen sein.
Durchgang von Gerhilde Bauer Alles ist WandelAlles ist Wandel, (Gerhilde Bauer)
Gerhilde Bauer,
Persönliche WürdigungGerhilde Bauer, unsere Lektorin der Zeitschrift „Kontemplation und Mystik", ist uns Freude und Anregung in ihren klaren Aussagen, Hinweisen und Ideen. Sie wird nicht müde, auch Kritisches zu äußern. Mit ihrem künstlerischen Gestalten schöpft sie aus einem tiefen Fundus, kreiert prozesshafte Arbeiten, die dann Unikate werden. Im Zentrum für Meditation und Kreativität, Zendo am Saupurzel, geleitet von Dr. Jochen Niemuth, fand vor einigen Jahren eine Vernissage zur Ausstellung der Würzburger Künstlerin Gerhilde Bauer statt. Unter dem Titel „Kunterbuntes Allerlei" waren ihre textilen Arbeiten zu sehen. „Wenn wir in die Jahre kommen, so können wir auf eine lange Zeit der Kreativität zurückblicken", so sprach Gerhilde. Eva Betzler, die Wandbehänge in Applikationstechnik schuf, habe sie damals inspiriert und eine wunderbare Freundschaft mit gegenseitiger Unterstützung und Beratung sei entstanden. Gerhilde gestaltet aus ihrem inneren Erleben, z. B. mit Stoffresten, und entwickelt ihre Werke sozusagen ergebnisoffen. Ihre letzte Ausstellung in Gerbrunn hatte sie in diesem Jahr. Auch ich habe einen wunderschönen Wandbehang namens „Aufbruch" (siehe oben), verschiedene Taschen, die Unikate der Künstlerin sind, erwerben können. Danke liebe Gerhilde für Dein Sosein, Deine Präsenz, Deine Ausdauer und Geduld. Heidi Schoppenhorst, |