Würzburger Forum der Kontemplation e. V. (WFdK)

Kontemplation, was ist das?

 

Der nachfolgende Text ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung der Autorin/des Autors bzw. des WFdK.

 

◄ Fenster schließen    ▼ zum Seitenende     Seite drucken Seite drucken

MechthildFricke 95x127

Sr. Mechthild Fricke OP

Kontemplation, was ist das?

In jedem Menschenleben erwacht früher oder später die Frage: Wer bin ich, woraus und wofür lebe ich?

Kontemplation als Weg und Ziel führt in die Antwort.

Dieser Weg führt durch Schmerz, Zeiten der Nacht und des Zweifels plötzlich und unerwartet in eine Christuserfahrung, in ein Erwachen des Christusbewusstseins, wie es Jesus vorgelebt hat.

Und wie er immer wieder in die Stille ging, müssen auch wir, um Hörende zu werden, der Stille Zeit und Raum geben.

Jesus machte sich in den „ICH-BIN“ Worten, die Johannes überliefert hat, den Namen Gottes: „Ich bin, der ich bin“ (Ex. 3,14) zu eigen und offenbarte, dass auch uns Göttlichkeit innewohnt und erfahrbar ist, wenn das ICH losgelassen wird.

Seine Lehre lässt sich zusammenfassen in dem Wort: Loslassen.

„Wer sein Leben gewinnen will, wird es verlieren. Wer aber sein Leben verliert um meinetwillen, der wird es finden“ (Joh. 16,25).

Das kontemplative Gebet führt in die Haltung des Loslassens, wodurch sich in vielen schmerzlichen Prozessen die Identifikation mit dem Ich auflöst. Der „Ich-Tod“, wie die Mystik es nennt, ist nicht das Ende des Lebens, sondern das endgültige Eintreten in die Fülle des Lebens, in die Teilhabe am Sein Gottes – schon jetzt.

Wer den Weg der Kontemplation geht, der durch alle Schichten des Unbewussten hindurch zum göttlichen Grund führt, entmachtet das im Licht Gottes erkannte Ego und wird ein freier Mensch.

Im Innersten erwacht ein neues Lebensgefühl, dessen Wert von nun an von Gott bestimmt ist. Der Mensch erfährt sich als das, was er ist. Er ist, was Gott in ihm sieht und nicht mehr angewiesen auf „Außen“ auf Lob, Ehre, Ansehen, Macht, Reichtum…

Eine große Hilfe für den inneren Weg ist Jesu Heilsbotschaft. Mystisch gedeutet gibt sie klare richtungsweisende Orientierung und begleitet schmerzhafte Wandlungsprozesse. Heilungsgeschichten werden durch die dem Menschen innewohnenden göttlichen Kräfte erfahrbare Wirklichkeit.

Durch die kontemplative Haltung der Absichtslosigkeit und Achtsamkeit, sowohl in Zeiten des Gebetes als auch im Alltag, überlässt sich der Mensch einem Prozess, der zurückführt in die verlorene Einheit. Meister Eckhart fasst ihn zusammen in die Worte: „Der gelassene Mensch ist der Kreatur entbildet, mit Christus gebildet, von der Gottheit überbildet“.

Wer sich so auf den Weg mit Gott einlässt, wird zum Instrument des Friedens für die Welt.

Sr. M. Mechthild Fricke, OP,
Vincentiusstraße 4, 67346 Speyer, geboren 1937, Dominikanerin, Kontemplationslehrerin.

 

◄ Fenster schließen    ▲ zum Seitenanfang     Seite drucken Seite drucken