Würzburger Forum der Kontemplation e. V. (WFdK)Orte der Praxis |
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Kontemplation im Münster zu SchaffhausenAutor: Ruedi WaldvogelSeit Januar 2012 sitzen kontemplativ übende Frauen und Männer jeden Mittwochabend im Chor des um 1100 erbauten Münsters zu Allerheiligen. Die Teilnehmenden verstehen sich als nicht konfessionell und sind nicht an ein spezielles Bekenntnis gebunden. Wir üben zusammen als Menschen, die sich zum Teil der westlich-christlichen Mystik, speziell der Kontemplation, aber auch fernöstlichen Traditionen, speziell dem Zen, zugehörig fühlen. Unser Verständnis von KontemplationEs geht um das gemeinsame Sitzen in der Stille des erhabenen Münsters mit seiner enormen spirituellen Ausstrahlung. Die absolute Ruhe erfüllt jede und jeden von uns. Stille ohne ein spezielles Meditationsobjekt, ohne Text, ohne Bild bedeutet nicht einfach gähnende Leere. Im Gegenteil: Innerlich frei zu werden von allen festlegenden Inhalten, bedeutet, im Grunde der Seele eine unaussprechliche Weite, Fülle und Kraft zu erleben. Mit Worten ist diese Erfahrung nur paradox auszudrücken: In dieser „gefüllten Leere“ oder „leeren Fülle“ sind wir dem unnennbaren Grund des Seins nahe. Meister Eckehart beschrieb um 1300 in seinen Predigten diese Fülle als das „überseiende Sein“ der Gottheit. Eine derartige Erfahrung verändert uns. Sie entspannt uns. Sie gibt unserem Leben Sinn und Substanz. Sie schenkt uns Liebe zu allem Lebendigen und zu allen Menschen. An der Stelle, wo sich die Leere des Nichts und die Fülle des Lebens berühren, genau an diesem „Umschlagspunkt“ durchfließt uns eine ruhige und freudige Lebenskraft. Vorgefasste Meinungen und Selbstverständlichkeiten werden losgelassen und machen dem alle Worte übersteigenden Leuchten des Lebens Platz. Die christlichen Mystiker und Mystikerinnen erblickten darin die Einwohnung Gottes im Grund unserer Seelen. In der fernöstlichen Tradition wird von Momenten der Erleuchtung gesprochen. Wir sitzen nicht einfach formlos. Wir orientieren uns an einem einfachen Ritual, welches in Ost und West in Zendos und in kontemplativen Räumen der Stille benutzt wird. Das Ritual hilft uns, optimale Bedingungen für die Erfahrung der Fülle in der Stille zu schaffen. Die Erfahrung selbst bleibt immer wieder neu ein Geschenk. Sie ist nicht festzuhalten. Wir betreten die Kirche ruhig, begrüßen uns leise und reden nur das Nötigste. Wir ziehen die Schuhe aus. Wir sind für das kühle Münster warm angezogen. Wir wählen die für uns passende Sitzgelegenheit (Meditationskissen, Meditationsbänkchen, Stuhl). Mit der gewählten Sitzgelegenheit suchen wir uns unseren Platz im vorbereiteten Rechteck der Meditationsmatten im Chor der Kirche. In der Mitte brennt eine Kerze. Jemand vom Team schließt die Kirchentür ab. Vor oder auf der Matte stehend erwarten wir das Zeichen der Klanghölzer. Auf das Klangzeichen hin setzen wir uns mit dem Gesicht nach außen ins Geviert. Wir nehmen unseren Körper bewusst wahr: Füße, Beine, Becken, Wirbelsäule, Schultern, Arme, Hände, Hals, Gesicht, Scheitel. Das dreimalige Ertönen der Klangschale leitet die 25 Minuten absoluter Stille ein. Wir lassen alles, was uns äußerlich und innerlich ablenkt, in die Stille fallen. Der Atem geht langsam und ruhig und nimmt uns mit in die Stille. Auf das Klangschalen-Signal zum Ende der ersten Sitzrunde hin erheben wir uns, die Kirchentür wird für später Dazukommende geöffnet, und auf das Zeichen der Schlaghölzer beginnt eine Runde Geh-Meditation (Kin-Hin) von ca. 5 Minuten. Es folgt eine zweite Sitzrunde. Nach dem Schlusszeichen der Klangschale drehen wir uns zueinander, und hören auf ein vorgelesenes Wort aus der westlichen oder östlichen spirituellen Tradition. Dieses Wort beleuchtet einen speziellen Aspekt unseres Übens und geleitet uns nach Hause. Wir bieten jährlich zwei Einführungen in die Kontemplation, in der Münster-Sakristei jeweils eine Stunde vor dem Beginn des Sitzens. Ebenfalls bieten wir einen monatlichen Austausch im Gespräch, gelegentlich vorbereitet zu einem speziellen Thema der Kontemplation (z. B. dem Atem) oder zu einem Mystiker oder einer Mystikerin an. Wir verstehen uns als offene spirituelle Weggemeinschaft. Sie umfasst Menschen aus dem kirchlichem Umfeld, KirchenkritikerInnen, Leute aus der Zen-Tradition, auch Frauen und Männer, die schon lange daran dachten, für sich eine geistliche Übung aufzunehmen und es jetzt endlich geschafft haben... Das Team besteht aus zwei eher der christlichen Mystik nahestehenden Personen (Pfarrer und Psychotherapeutin), zwei dem Zen verpflichteten Frauen (Kinderärztin und Heilpädagogin) und einer Yoga-Lehrerin in der Tradition des Patanjali. Wir freuen uns, dass die seit vielen Jahren in anderen Räumen sitzende Weggemeinschaft im mittelalterlichen Münster eine würdige Heimat gefunden hat. In Deutschland stehen 2 neue Eremitenklausen zur Verfügung:
Ruedi Waldvogel, |
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