Würzburger Forum der Kontemplation e. V. (WFdK)

Lehrerinnen und Lehrer im WFdK

 

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Elisa-Maria Jodl: "Hänge ein Vogelhäuschen auf und lass es dein Fernseher sein."

Vorstellung einer langjährigen Lehrerin

Autorin: Elisabeth Müller

Elisa-Maria Jodl ist mit großer Mehrheit in den Vorstand der WSdK gewählt worden und erzählt, ähnlich dem Fluss, der ins Meer fließt, sei die Zeit längst vorbei, wo sie sagen könn te: Liebe FreundInnen, es war eine schöne Zeit mit euch, aber jetzt tschüß! Das geht für sie nicht mehr, es sei da etwas zusammengewachsen, das nur schmerzlich zu trennen wäre. Sie hat die Würzburger Schule mit geprägt und steht darin für eine Kontinuität der Vernetzung über alte und neue Grenzen von Institutionen hinweg. EMü

Jetzt, da ich über sie schreibe, steht sie mir deutlich vor Augen, mit ihrem offenen, warmen Lächeln, bereit zu Kontakt und Begegnung. Dahinter spüre ich eine Klarheit, eine Geradlinigkeit, der sie folgt, ohne auszuweichen. Mir kommen unsere ersten Begegnungen, Anfang der neunziger Jahre in den Sinn und die letzten erst kürzlich. Wir sind beide seitdem anders geworden; wie, das lässt sich im Gegenüber stets besser erkennen als an einem selbst. Als Suchende, als begeisterte Entdeckerin lernte ich Elisa-Maria kennen, ihrem Entschluss verpflichtet, weiter, tiefer vorzudringen ins Mysterium, dem sie im Würzburger Haus St. Benedikt auf der Spur war. Eine Gewordene ist sie heute, eine, die ihren Platz kennt und weiß, dass es nicht um sie geht; eine, die da zu sein vermag für das Größere. Dieser Elisa-Maria, wie ich sie sah, fehlte bislang die Bühne, es fehlten die Kulissen von Elternhaus und Jugend, die Schattierungen ihres beruflichen Werdegangs, die Färbung ihrer Ehe. Nachdem ich meine Namensschwester ausführlich für dieses Porträt befragen durfte, ist mein Eindruck vollständiger, und ich will versuchen, ihn zu Papier zu bringen.

Dass die im Salzkammergut aufgewachsene Elisabeth Pfarrerin ist, wusste ich wohl, hatte ich sie doch schon häufig am Benediktushof die Feier des Lebens mithalten sehen. Nun erzählte sie mir, wie sie ihren Beruf ausübte. Eine eigene Gemeinde habe sie sich nicht zugetraut und es daher vorgezogen, in größeren Kirchengemeinden eine von mehreren Pfarrstellen zu besetzen, zuletzt mit ihrem Mann, der lange ein Pfarramt innehatte. Da bestand sieben Jahre lang ihr Dienst aus elf Wochenstunden – die stets überschritten wurden –, war aber schon getragen von ihrer Praxis in der nicht mehr wegzudenkenden Kontemplation, die sie bei P. Wolfgang Abt erlernte. „Schon während des Studiums wusste ich, woher kann ich nicht sagen, dass ich mit 60 nicht mehr im Pfarramt sein würde. Wobei Studium und Pfarramt wenig miteinander zu tun haben. Im Studium lernten wir in Konzepten, Theorien und Glaubenssätzen zu denken und sie für Predigt und Schule auszulegen. Im Pfarramt ging es um praktische, religiöse und weltoffene Handwerksarbeit im Alltag, mit den Menschen. Dogmatische und systematische Theologie konnten mich nicht packen, ließ ich auch über weite Strecken aus“.

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Ein Blick auf Elisa-Maria Jodls Homepage (www.elisamaria-jodl.ch) macht deutlich, dass eines sie später wohl zu packen vermocht hat. Denn ihr Angebot als selbständige Kontemplationslehrerin beläuft sich auf zahlreiche lange und kurze Kurse in drei Ländern, der Schweiz, Österreich und Deutschland, dazu gibt es Workshops mit der spannenden Kombination von Orientalischem Tanz und Meditation. So ist sie tätig nahe ihrem Wohnort im Kloster Kappel und im Via-Cordis-Haus St. Dorothea in Flüeli-Ranft, im Südtiroler Bildungshaus Lichtenburg und in Schloss Goldrain, im niederösterreichischen Kloster Kirchberg mit Wochenend und/oder mehrtägigen Kontemplationsangeboten; in Fürth und in Schnaittach bei Nürnberg sowie in ihrer Heimatgemeinde Bad Ischl, einen Samstag pro Jahr.

Zum Glück, sagt sie, erfahre sie das Reisen nicht als Anstrengung, sondern sie spüre, wenn es unter ihr rollt, weniger das Unterwegssein als das Dasein. Nicht fortwährend, nicht als etwas Verfügbares, sondern für Momente, die ihr das Reisen leicht werden lassen. Aber auch bei ihr zu Hause gibt es einen kleinen Raum, wo montags und donnerstags und oft auch einen ganzen Samstag in kleiner Gruppe kontempliert wird. Diese Arbeit hat sie aus ersten zaghaften Angeboten Ende der achtziger Jahre entwickelt.

Nachdem sie 1992 zu Willigis kam, habe er sie nach zwei oder drei Jahren ermutigt, die Kontemplation auch an andere weiterzugeben. Ab 1997 leitete Elisa-Maria feste Termine zum Sitzen in der Stille, allerdings damals von Selbstzweifeln geplagt, die sich zu einer inneren Krisenzeit auswuchsen. Im Rückblick urteilt sie: „Ich machte viele Fehler, konnte das nur schauen, stehen lassen, weiter gehen. Oft und oft begleitet von der Frage: Sollte ich die Kursarbeit nicht an den Nagel hängen?“ Lange kreisten ihre Vorträge daher um das Thema „Krise auf dem inneren Weg“; eine Krise, die sie als eine Zeit der Läuterung annahm, nach dem Vorbild der Weisen aus der Wüste. Schließlich waren ihre Kindheit und Jugend im Salzkammergut während der Nachkriegszeit keineswegs einfach gewesen. Der Vater wohnte an einem anderen Ort, zu Hause waren zwei ältere Brüder, eine Großmutter, die von der kleinen Elisabeth als Feldwebel erlebt wurde, und eine überforderte Mutter, die alle mit einem Handarbeitsladen durchbrachte.

Als mir Elisa-Maria diese Zeit schilderte, konnte ich gut nachvollziehen, warum sie diese Jahre als „unendlich düster“ beschreibt. Erst der Blick der jungen Frau auf sich selbst brachte ihr zu Bewusstsein, mit welchem Paket sie ins Erwachsenenleben entlassen worden war: „Mein Vater war einer der ersten Farbfotografen. Von Zeit zu Zeit porträtierte er seine kleine Tochter. Die Situation erlaubte nicht, dass er in unserer Nähe blieb, und er ging zurück zu seiner Familie nach München, als ich fünf war. Der Kontakt brach ab, kam nochmals zustande, brach wieder ab. Was blieb, war eine Aufnahme der Viereinhalb- bis Fünfjährigen auf dem Schreibtisch meiner Mutter.

Als ich zu studieren begann, zunächst in Wien, nach fünf Semestern dann in Zürich, wurden die Besuche zu Hause immer seltener. Bei einem dieser Besuche fiel mir das Bild in Mutters Zimmer auf. Wache, dunkle Augen, ein offener Blick, ein offenes Wesen. Wo war das geblieben? Im Spiegelbild blickten mich verhangene, in sich zurückgezogene Augen an, Mundwinkel in Acht-nach-acht-Stellung und tiefe Sorgenfalten, Falten der Anstrengung, die davon zeugten, dass der ganze Mensch versuchte, es besser und anders zu machen, als sie es von zu Hause gelernt hatte. Ich war mit mir überhaupt nicht zufrieden, mit der ganzen Lebenssituation nicht“.

Dass P. Willigis Jäger ihren Weg kreuzte und sie das große Loslassen können in die nicht geformte Stille auf dem Kissen erfuhr, wo Platz ist für alles, das Gerade und das Krumme, das Ganze und das Zerbrochene, bezeichnet sie als großes Glück. Und die Lektüre der MystikerInnen öffnete ihr zudem das Verständnis für eine Erfahrung, die schon weit zurücklag: die dunkle Nacht der Seele. „Nicht zu wissen, wer ich bin, nicht zu wissen, wozu ich da bin, als angehende Pfarrerin nicht zu wissen, was zu glauben ist, nichts zu wissen über Gott oder Auferstehung, weil alles Wissen durchschaut war als Projektion, das hatte ich während drei Jahren erlebt, etwa zwischen dreiundzwanzig und fünfundzwanzig, ohne jegliche Begleitung.

Erst mit der Kontemplation, zwanzig Jahre später, erfuhr ich, dass es dazu eine christliche Tradition gibt“. Damals hatte sich Elisa-Maria längst zu sich selbst auf den Weg gemacht, nämlich durch eine Gestalttherapieausbildung gemeinsam mit ihrem zukünftigen Mann. Dazu erzählt sie: „Er war damals noch verheiratet, jedoch im Trennungsprozess. Wir konnten unsere Beziehung mit Nähe und Distanz klären und einspielen. So war ich sehr dankbar um ein Begegnungsfeld, auf dem wir nicht in unseren bisherigen Mustern hängen blieben. Ein markantes Merkmal während der gemeinsamen Pfarramtsjahre war: Wenn immer wir ins Streiten gerieten, fragte einer von uns recht schnell: Worum geht’s denn wirklich? So gelang es, uns gegenseitig viel Freiraum zu lassen, manchmal schmollend und grollend, aber doch.“ Diese Ausbildung schulte sie mit für ihre jetzige Rolle der „Bereiterin für einen Raum der Stille, zu dem ich einlade“, wie sie es nennt.

Wenn Menschen auf diesem Erfahrungsweg eine Begleitung wünschen und in der Begegnung mit ihr neue Erfahrungen ausprobieren wollen, steht sie zur Verfügung. Ihre Motivation zu diesen Angeboten begründet sie mit einem Zitat von Eckhart Tolle aus dem Buch „Stille spricht“: „Wenn du die Berührung mit der inneren Stille verlierst, verlierst du den Kontakt mit dir selbst. Wenn du den Kontakt mit dir selbst verlierst, verlierst du dich in der Welt. (…) Das innerste Selbstgefühl, das Gefühl dessen, der du bist, ist untrennbar mit Stille verbunden. Das ist das ,Ich bin‘, das tiefer ist als Namen und Formen“.

Wenn Elisa-Maria erwähnt, dass sie sich schon während ihrer Ausbildung am meisten von der Seelsorge, dem Unterrichten, dem Assoziieren über einen Bibeltext und den daraus entstehenden Predigten angesprochen fühlte, mag sich darin ihre Berufung schon angekündigt haben, denn auch ohne Festanstellung ist sie bis heute auf der Kanzel, bei Beerdigungen und in der Krankenhausseelsorge anzutreffen. Neben ihrer Kurstätigkeit begleitet sie regelmäßig schwerkranke oder sterbenden Patienten ebenso wie demente BewohnerInnen der Langzeitpflege. Was ihr dabei wesentlich ist, fasst sie so zusammen: „Einfach da sein, sonst nichts, und alles, was sich in den Tiefen des Menschen bewegt, mit Hilfe eines alten Mantras, das mich jahrelang selbst durch Höhen und Tiefen auf dem Kissen begleitet hat – jehoschua –, der unendlichen Stille und Weite hinhalten“.

In der Pflegestation unterstützt sie ihre Amtskollegin und hält mit Frauen und Männern die Abendmeditation. „,Kommen Sie auch? Wir werden vor allem Abendlieder singen‘, fragte ich hier und dort eine Person. Mitten im Raum entdeckte ich neulich unseren Alt-Kaminfeger vom Ort, leichtes Erschrecken und Durchatmen meinerseits, ihn hier im Rollstuhl anzutreffen. Da fragte er auch schon: ,Was heißt eigentlich Meditation?‘ Huh …! Zwei, drei Atemzüge lang Leere im Kopf zulassen, ihn anschauen oder vielmehr nur ‚schauen‘, dann meine Antwort: ,Der inneren Stille lauschen‘. Diese Worte kamen von selbst, ich wusste nicht, ob es richtig oder falsch war, ob es ankam oder nicht. Seine Reaktion: ,Und da singt man? Dann komm ich!‘, und er genoss die Abendstunde in überwältigend großer Runde hoch betagter Menschen“, erzählt sie eine Episode von diesem Engagement.

Wenn Elisa-Maria von Zeit zu Zeit in ihre Heimat zurückkehrt und sich in der vertrauten Landschaft des Salzkammerguts von Bergen und Seen in die Andacht der Stille führen lässt, ist ihr rückblickend bewusst, dass es diese lauschende Natur war, die sie auch früher durch alle Nöte hindurch trug und ihr eine Botschaft zuflüsterte, die noch heute für sie gilt: „Hänge ein Vogelhäuschen auf und lass es dein Fernseher sein. Die Vögel, die Hunde, die Katzen, Wind und Wolken, lass sie deine Lehrmeister sein. Tritt in Beziehung mit dem, was um dich lebt, wirklich lebt. Die kleinen Kinder, die Sterbenden leben aus der Stille, aus dem ewigen JETZT. Konzepte haben da keinen Platz. Eine solche Botschaft ist für unseren Verstand zu simpel, vor allem angesichts von Jahrhunderterdbeben, Tsunamis und AKW-Katastrophen. Und dennoch: Erst wenn wir DA sein können, wenn der Ort, wo wir SIND, erfüllt ist mit Leben, wird sich die Gier nach fernen Orten, nach noch mehr Produkten und einem horrenden Strom- und Wasserverbrauch ändern“.

Elisabeth Müller,
aufgewachsen als Pfarrerstochter in Mexiko-City. Lebt mit Mann und Sohn in der Nähe von Frankfurt; ein weiterer Sohn ist epilepsiekrank. Literaturübersetzerin und Lektorin für Spanisch und Französisch und Schülerin von Willigis Jäger. Kontemplationslehrerin des WFdK, Ausbildung in transpersonaler Prozessarbeit "Schritte ins Sein" bei Richard Stiegler. Gibt Kontemplationskurse und begleitet Einzelne auf dem inneren Weg.
E-Mail: E-Mail,  Internet: Link

 

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