Würzburger Forum der Kontemplation e. V. (WFdK)

Fortbildung - Werkstattberichte

 

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Fortbildung "Liebevolle Güte" - Eine Vertiefung

KontemplationslehrerInnen-Fortbildung
Fred van Allmen, Ursula Flückiger,
10.09. - 13.09.17 im Benediktushof,

Ein Werkstattbericht

Autoren: Petra und Andreas Speth

Um die uns innewohnende Herzensgüte wieder zugänglich zu machen, werden die Meditationen von Güte, Mitgefühl und Mitfreude im Kontext der buddhistischen Lehre in formeller Sitz- und Gehmeditation sowie Alltagspraxis erläutert und geübt. Zeit für Fragen und Austausch werden getragen von der Stille.

Referenten: Ursula Flückiger und Fred von Allmen. Tätig sind sie unter anderem im Meditationszentrum Beatenberg in der Schweiz, in der Nähe von Bern. Ursula Flückiger praktiziert buddhistische Geistes- und Herzensschulung, Fred von Allmen den buddhistischen Weg des Erwachens der tibetischen Dzogchen- und Gelug- sowie der Vipassanatradition.

Auf die Frage vor Beginn der Fortbildung an Fred und Ursula, wie sie gerne vorgestellt werden möchten, hieß es: „Hier sind sie.“ Mehr nicht. Fred erläuterte dies zu Beginn: „Ihr braucht nicht zu schauen, was wir möchten. Schaut, dass ihr euch wohlfühlt. Wie immer es sein mag.“ Es war sofort eine große Präsenz und Herzenswärme von beiden zu spüren. Die Fortbildung war mit 32 Teilnehmern sehr gut besucht! Und keiner ging enttäuscht, jeder konnte für sich etwas mitnehmen. aber der Reihe nach.

Äußere Struktur: Die Zeit bis zum Frühstück war angefüllt mit der uns bekannten Form: Schnelles Gehen im Freien, Sitzen, langsames Gehen und Sitzen (jedoch ohne das zum Teil vermisste morgendliche Tönen). Rezitiert wurde aus der Textsammlung „Mystische Spiritualität“, herausgegeben von Willigis Jäger“. Einmal auf Seite 71, das „Metta Sutra: Sutra von der Güte“, ein anderes Mal auf Seite 124 „Pflicht ohne Liebe macht verdrießlich“ von Laotse.

Nach der Mitarbeit im Haus waren folgende Seminarzeiten mit Fred und Ursula vorgegeben: 9.45 – 12.00 Uhr, 14.30 – 18.00 Uhr und 19.30 – 21.00 Uhr. Wir hatten am Montag- und Dienstagnachmittag jeweils für eine Stunde einen Gesprächskreis in der aufgeteilten Gruppe. Dieser fand einmal mit Ursula und einmal mit Fred statt. Hier konnten wir unsere Erfahrungen mitteilen und Fragen stellen. Abends gab es jeweils einen Vortrag von Fred und Ursula. Den Abschluss des Tages bildete immer eine „Widmung für den Tag“, in welcher wir uns wertschätzten. Aber nicht nur uns, auch die Menschen, die uns dies ermöglichten.

Inhalt: Herzensgüte hat in der buddhistischen Tradition, wie in jeder menschlichen Entwicklung, einen zentralen Stellenwert. Die Herzensgüte hat vier Qualitäten: Liebevolle Güte, Mitgefühl (gelingt durch ein Sich-dem-Leiden Öffnen), Mitfreude (gelingt, wenn wir uns für den Erfolg des anderen öffnen) und die Gelassenheit. Alle vier können spezifisch und einzeln geübt werden.

An diesen Tagen ging es um das praktische, formelle Üben der Liebevollen Güte und des grundlegenden Wohlwollens (Metta) als Ausdruck des Mitgefühls unter Einbezug der anderen Qualitäten. Es ging natürlich nicht nur um das Einüben in der formellen Praxis, sondern: Jeder Moment im Alltag ist ein Moment der Praxis.

Ursula benannte vorab am Sonntagabend die ethischen Grundlagen für den Kurs:

  • Die Absicht, das Leben und den Besitz der andern zu achten und zu respektieren.
  • Verzicht auf sexuelle Aktivität. Die eigene Person im Hintergrund lassen zu können.
  • Verzicht auf bewusstseinsverändernde Substanzen.
  • Die Wahrheit respektieren.
  • Aus der inneren Erfahrung sprechen.
  • Respektieren der Stille.

Die Praxisform der liebevollen Güte wird von Sätzen begleitet, die innerlich bewusst gesprochen werden. Diese waren:

  • Möge ich glücklich sein.
  • Möge ich frei sein von Kummer und Leid.
  • Möge ich in Frieden leben.

Wichtig ist dabei, dass wir mitbekommen, was wir sagen. Dass wir auf den Klang achten, wie wir diese Sätze innerlich sprechen. es gibt 5 Kategorien, je nachdem, an wen wir diese Sätze richten:

  1. An uns selbst.
  2. An einen Freund oder einen Wohltäter.
  3. An eine neutrale Person.
  4. An eine schwierige Person.
  5. An alle Wesen.

Jeder Satz ist ein Same, den wir wohlwollend nähren. Dabei sollte der Focus auf das Pflegen der Geduld im Aufsagen der Sätze gelegt werden und nicht auf die Früchte. Die Übung ist eine Sammlungspraxis mit einer Ausrichtung auf die Herzensgüte. Immer wieder zu den Sätzen zurückkommen und „friedlich koexistieren“ mit dem, was auch in uns auftauchen will. Die Übung soll kontinuierlich durchgeführt werden, weil der Geist sonst das Gewohnte tut. Die Wirkung der Sätze wahrnehmen. Am Sonntagabend übten wir nun zuerst mit uns als Person.

Die Gehmeditation machte jeder für sich alleine an einem festen Ort, mit einer Strecke von 10–15 Schritten. Die Geschwindigkeit konnte variieren. Wichtig ist, dass der Fokus auf die Sätze gelegt wird und nicht auf die Körperempfindungen beim Gehen.

Am Montag wechselten wir dann zu einem Freund oder Wohltäter. Dabei sollten wir eine Person auswählen, bewusst bei dieser Person bleiben und den Vornamen sagen. (z.B.: „Mögest Du glücklich sein, Fred. Mögest Du frei von Kummer und Leid sein, Fred. Mögest Du in Frieden leben, Fred.“)

In welcher Stimmlage, welcher Melodie werden die Sätze gesprochen? Enthalten diese Sätze ein Verlangen oder eine Sehnsucht, sind sie ehrlich gemeint? Es geht darum, immer wieder in Kontakt mit diesen Sätzen und mit uns selbst zu kommen und liebevolles Wohlwollen beim Sprechen zu kultivieren. Es geht dabei nicht um die inneren Zustände, denn diese vergehen wieder.

Am Abend hielt Fred einen Vortrag zum Thema Herzensgüte. Die Herzensgüte stellt keine Bedingungen und leidet nicht. Sie fühlt sich gut für uns und für andere an. Wenn die Unheilsamen wie Widerstand, Ärger, Wut, Angst oder Hass auftauchen, durchkreuzen sie die guten Absichten. Buddha sagt: „Gebt auf, was unheilsam ist und kultiviert das Gute“, in einer Haltung von Wachheit und Offenheit. Hass wird durch Güte geheilt. Die Voraussetzung dafür ist Güte und Güte braucht echtes Interesse, Wachheit, Innehalten, Wertschätzung, Zuwendung zu uns selbst und Mut.

Impuls von Ursula: Manchmal zeigt sich die Güte ganz leise, im Mit-der-Güte-Sein. Mit einem Zitat von Hildegard von Bingen: „Die Liebe ist bald mit diesem bald mit jenem Gewande geschmückt.“ Es ist hilfreich, die Mettasätze mit Festigkeit, jedoch sanft wie ein Baby zu halten.

Am Dienstag begannen wir die Sätze an eine neutrale Person zu richten. Diese neutrale Person sollten wir weder sehr mögen noch ablehnen. Eine unbelastete und offene Begegnung ist wichtig. in Frage kommen eventuell ein entfernter Nachbar oder auch die Kassiererin im Supermarkt. Wir sollten beobachten, wie es ist, dieser neutralen Person solche Sätze zu sagen.

Normalerweise ist es üblich, mit jeder Kategorie einen oder mehrere Tage zu üben. Da dies im Rahmen der Fortbildung nicht möglich war, wechselten wir schneller als üblich zur nächsten Übung, und zwar zur schwierigen Person. Es wurde empfohlen, nicht die schwierigste Person auszuwählen und auf einen gewissen Abstand zu achten, d. h. diese Person eventuell auf eine Insel zu setzen. Manches Mal ist Vergebung die Voraussetzung, eine bestimmte Person zu nehmen. Metta für eine Person heißt nicht, dass wir richtig finden, was eine Person macht. Sie wird, trotz all meiner Wünsche, vielleicht so bleiben, wie sie ist. Es geht nicht darum, die andere Person zu ändern, sondern um die Kultivierung der liebenden Güte der eigenen Person. Wir sollen an der Übung bleiben und nicht in die Geschichte der gewählten Person einsteigen. Es ist wichtig zu wissen, was wir sagen, und zu versuchen zu meinen, was wir sagen. Die vorgefertigten Sätze helfen dabei wie ein Geländer an einer steilen Treppe.

Zuletzt richteten wir die Mettasätze an alle Wesen. Hier kann eine Aufteilung in Gruppen hilfreich sein, indem man nacheinander alle Wesen im Osten, dann im Süden, im Westen, im Norden, oben und unten anspricht. hilfreich, aber evtl. auch schwierig konnte hier sein, wenn man eine Person aus einem Bereich kennt. Mit „allen Wesen“ kann man schon einmal hadern. Wie können wir einen Diktator oder Mörder oder Vergewaltiger mit einschließen? eine Fortführung dieser Übung im Alltag kann sein, innerlich mit einer Person Kontakt aufzunehmen, dadurch, dass wir sie in ihrer Einzigartigkeit vom Herzen sehen und die Mettasätze („Mögest Du glücklich sein. Mögest Du frei sein von Kummer und Leid. Mögest Du in Frieden leben.“) innerlich sprechen.

Dienstagabend Vortrag von Ursula mit dem Titel: „Ein sanftes Herz mit starkem Rücken“. Weisheit und Gleichmut leiten die Geschicklichkeit, das Mitgefühl einzusetzen. Die Atmosphäre des Geistes von Gelassenheit ist geprägt von Milde, Mitgefühl und Wohlwollen. Ohne Gleichmut sind wir im Zyklus von Annahme und Ablehnung gefangen. Die Natur des Lebens ist flüchtig, mit dieser Tatsache sollten wir in Einklang kommen. Johannes von Tauler: „Liebevoll berühre ich jetzt alle Dinge, wissend, dass sie mich eines Tags trennen werden“. Wir haben keinen Einfluss auf die Erfahrung, aber auf den Umgang mit der Erfahrung. Gelassenheit üben in guten Zeiten und wenn sich Erfolg einstellt. Sich die Bedingtheit des Lebens bewusst machen und sich nicht überverantwortlich fühlen. Hermann Hesse: „Man muss das Unmögliche versuchen, um das Mögliche zu erreichen.“

Am Mittwochabend erfolgte der Abschluss mit Hinweisen für die Praxis im Alltag: Das Resümee aus einem Rat, den Fred von Allmen vorgelesen hat: „Nicht unsere spirituelle Praxis ist das Wesentliche, sondern das Wohlergehen der anderen. Jeden Morgen sich die eigene Motivation bewusstmachen, am Abend Wertschätzung für uns und Widmung an andere Menschen durchführen, regelmäßig meditieren. Retreats von bis zu 5 Tagen, 1–2-mal pro Jahr besuchen.

Was ist der Unterschied zwischen Metta und einem Mantra? Bei den Sätzen ist es wichtig, es nicht einfach laufen zu lassen, spüren, wie man es sagt, und wissend mitzubekommen, was man sagt. Wenn die Sammlung tiefer ist und die wohlwollende Haltung spürbar, dann können die Sätze wegbleiben.

Warum soll man Metta üben, wenn es auf jedem spirituellen Weg ein Teil davon ist? Damit sich eine Haltung des Wohlwollens über die Sichtweise und die Ausrichtung entwickeln kann. Wenn der Geist die wohlwollende Haltung nicht mehr hält, sollten wieder die Sätze bewusst aufgesagt werden. Der Atem wird sich selbst überlassen.

Ursula und Fred informierten uns noch über ihre weiteren Seminarangebote. Aufzufinden sind sie auf folgenden Internetseiten: https://www.karuna.ch/de (Ursula Flückiger) und http://www.fredvonallmen.ch.

Auf der Homepage von Fred finden sich unter dem Abschnitt „Dharma-Vorträge Fred von Allmen“ Einführung und Anleitungen zu Metta: Die Meditationspraxis der „liebevollen Güte“. Zum download angeboten auf der Basis freiwilliger Spenden. Die letzte Stunde war vorgesehen für Rückmeldung. Fred und Ursula zeigten große Wertschätzung für diesen Ort und die Menschen. Entsprechend der neu eingeübten Sätze äußerten sie: Möge diese Fortbildung uns helfen, weiterzukommen auf unserem Weg des Glückes und frei zu werden von Leiden. Die Erfahrungen waren ganz individuell. Die Teilnehmer äußerten immer wieder großen Dank für dieses „praktische Handwerkszeug“ und sahen es als „Impuls für die Weiterentwicklung“ der Kontemplation innerhalb der „Wolke des Nicht-Wissens“. Ganz konkret stellte sich die Frage: Wie können wir die Herzenspraxis in der Kontemplation fördern? Als Ausdruck des tiefen Dankes überreichte Petra Wagner folgende Buchgeschenke: 1. Die Flöte des Unendlichen (mit den Rezitationstexten), 2. Das Buch „Jenseits von Gott“ (als Essenz der Erfahrungen von Willigis Jäger) und 3. Das Buch „Über die Liebe“, das Willigis Jäger persönlich für die beiden ausgewählt hatte.

Und ganz am Ende sagte Fernand Braun mit den Worten von Thich Nhat Than: „Sag nicht, dass wir gehen, wir sind noch nicht angekommen“.

Petra Speth,
Kontemplationslehrerin WdG, Audiotherapeutin (DSB), Dozentin für Idiolektik und Gesprächsführung.
Andreas Speth,
Kontemplationslehrer WdG, Kinder- und Jugendpsychiater und Psychotherapeut, Dozent für Idiolektik und Gesprächsführungen.

 

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